Ein Jahr Glücksspielverbot in Wien: Spielsüchtige zocken immer häufiger im Internet.
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Wien. "Im Dezember kommt sicher noch einiges auf uns zu. Da kommt das Weihnachtsgeld, das löst immer einen Glücksspiel-Tsunami aus", sagt Izabela Horodecki, Leiterin der Spielsuchthilfe. Seit gut einem Jahr ist das kleine Glücksspiel in Wien Geschichte. Seitdem hat die heimische Finanzpolizei rund 2000 illegal betriebene Spielautomaten beschlagnahmt. Aber: "Es ist nicht so, dass mit dem Automatenverbot die Spielsucht aus Wien verschwunden ist", sagt Horodecki weiter. Denn Automaten werden ja auch illegal betrieben. Außerdem fahren Spieler jetzt häufiger nach Niederösterreich, weil das kleine Glücksspiel dort noch immer erlaubt ist.
Die Neuanmeldungen bei der Spielsuchthilfe seien nur leicht gesunken. Die Spielsucht, so die Therapeutin, verändert sich aber langsam. Schon vor dem Verbot verzeichnete das Online-Glücksspiel starke Zuwächse. Und: Die Börsensucht ist leicht im Steigen. Heuer, so Horodecki, betrug der Anteil der Börse-Zocker unter den Spielern, die sich bei der Spielsuchthilfe gemeldet habe, rund fünf Prozent. Im Vorjahr sei es noch ein Prozent gewesen.
Oberösterreich und Wien Hochburgen für Automaten
Die meisten illegal betriebenen Spielautomaten wurden heuer in Oberösterreich und in Wien beschlagnahmt. In der Bundeshauptstadt wurden bis November 418 Geräte konfisziert. In Oberösterreich waren es gar 767. Dort dürfen seit 2012 nur noch lizenzierte Betreiber mit einer eigenen Konzession Automaten aufstellen. Das Land hat drei Lizenzen für 1176 Automaten vergeben.
In Tirol und Salzburg ist das kleine Glücksspiel generell verboten. Dennoch haben die Behörden in beiden Bundesländern bis November dieses Jahres fast 370 illegal betriebene Gräte konfisziert. Im Burgenland und in Niederösterreich, wo das kleine Glücksspiel erlaubt ist, gibt es hingegen wenig Probleme mit illegalen Geräten. Und: Die meisten der illegal betriebenen Automaten in Wien sind keine Überbleibsel aus dem Vorjahr, sondern solche, die auch illegal erworben wurden. "Nur fünf Prozent der Gerätebetreiber berufen sich auf angebliche Lizenzen", sagt Wielfried Lehner, Chef der Finanzpolizei, zur "Wiener Zeitung". Alle anderen wurden also illegal erworben.
Aus Sicht der Spielsuchthilfe ist das Verbot zwar zu begrüßen, das Problem hat sich allerdings in den virtuellen Raum verlagert. Derzeit seien rund 600 Menschen dort in Therapie. Bis November dieses Jahres haben 788 Menschen zudem telefonisch oder online Kontakt aufgenommen. Die Hälfte von ihnen gab an, online zu spielen.
"Beim Online-Glücksspiel muss sich der Gesetzgeber noch etwas überlegen", sagt Horodecki. In Österreich hat streng genommen nur win2day, das Portal der Österreichischen Lotterien, eine Lizenz für das Online-Glücksspiel. Plattformen wie b-win, William Hill oder Mr. Green bewegen sich im Graubereich.
85 Prozent der Spielseiten illegal
Laut dem Grünbuch der Europäischen Kommission sind in Europa etwa 15.000 Online-Spielseiten in Betrieb. Rund 85 Prozent davon sollen illegal sein. 2012 setzt die Sparte rund sieben Milliarden Euro um, Tendenz sehr stark steigend. Die Online-Wetten sind auch jene Sparte der Glücksspiel-Industrie, die laut EU-Kommission am stärksten wächst.
Und auch das benachbarte Niederösterreich, wo das Spielen am Automaten noch erlaubt ist, ist zumindest für Wiens Spielsüchtige ein Problem. Dort hält die Novomatic-Tochter Admiral Casinos Lizenzen für alle 1339 erlaubten Glücksspielautomaten. Viele Spielsüchtige würden nach Schwechat oder Vösendorf zum Spielen fahren, so Horodecki.
Ein Teil landet dann bei der Spielsuchthilfe in Wien. Und die hat seit dem Glücksspiel-Aus in der Hauptstadt mit Budgetproblemen zu kämpfen. Denn im Zuge dessen hat Novomatic seine finanzielle Unterstützung für die Einrichtung eingestellt, obwohl viele Spielsüchtige weiterhin in Niederösterreich oder in den hiesiegen Admiral-Wettcafés online spielen. Damit sei ein großer Teil des Budgets weggebrochen, erklärt Horodecki. Weniger Spielsüchtige gibt es deswegen aber nicht. Die Stadt Wien habe hier auch keine Kompensationszahlungen geleistet.
Einer Studie der Österreichischen Arge Suchtvorbeugung zufolge sollen rund 1,1 Prozent der österreichischen Erwachsenen spielsüchtig sein, wobei die Dunkelziffer viel höher sein dürfte, wie die Leiterin der Spielsuchthilfe erklärt. Denn Zahlen aus Deutschland würden zeigen, dass sich nur 2,6 Prozent der Süchtigen überhaupt in Therapie begeben.