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Weil der Mensch zahlt

Von Christoph Irrgeher

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Wer vor der Monotonie der TV-Werbeblöcke weder in die Küche noch in andere Nassräume flieht, kann seine Zeit dennoch sinnvoll nutzen: Für eine Diagnose, was die "Kreativen" derzeit so umtreibt. Und nach dem Genuss einer beträchtlichen Werbe-Dosis lässt sich eine recht klare Diagnose stellen: Die Branche laboriert an einem späten Flashback der US-Parole "Personalize!". Auf gut Deutsch gesagt: In TV-Spots hat es derzeit vor allem zu menscheln.


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Da erhält also ein Mobilfunkbetreiber ein Mädchengesicht (erwärmend: die Mitarbeiterin spielt im Stall Gitarre); da reduziert sich ein Lebensmittel-Goliath auf eine Handvoll rustikale Mitarbeiter (allerliebst: mit Musik à la "Fabelhafte Welt der Amélie"); ja, da darf sich sogar der Mann von der Straße befreiend natürlich verhaspeln, wenn er die Dienste eines Optikers lobpreist. Kurz gesagt also obwaltet da eine Wald-und-Wiesen-, Fleisch-und-Blut-Natürlichkeit, die uns ins Herzen wispert: Groß mag unsere Firma zwar sein, lieber Kunde; unsympathisch anonym ist sie aber nicht.

Mag an der Oberfläche schon stimmen. Wirtschaftsprofessor muss man aber nicht für die Erkenntnis sein: Hätte dieser Lebensmittel-Goliath keinen gewaltigen, anonymen Firmenapparat - dann wäre er am Markt nicht konkurrenzfähig und hätte darum auch nicht den Mammon, ein aufwendiges Kitschfilmchen zu drehen, das uns vordergründig einreden mag, dass der Mensch zählt; im Wesentlichen aber, dass er als Konsument zahlen soll.

Sich über den Pseudo-Humanismus ärgern? Nicht doch. Weil er auch seine heiteren Seiten hat. Lehrt ja etwa jener Nikotin-Haardoping-Experte, dessen Gebaren womöglich von einer übermäßigen oralen Anwendung herrührt: "In der Tat!"