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Wein als Medizin

Von Werner Scheib

Wissen

Die Wogen gehen hoch, wenn Weinfreunde mit Abstinenzlern über die Gesundheitswirkung des Rebensafts diskutieren. Die Positionen zwischen beiden Parteien sind noch immer unüberbrückbar. Jetzt hat der Stuttgarter Universitätsprofessor für Chemie, Franz Effenberger, die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zusammengetragen. Effenberger möchte damit die Diskussion "aus der emotionalen Ecke holen" und Kenntnislücken schließen.


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Das Risiko von Infarkt und Arteriosklerose werde bei mäßigem Weingenuss abgesenkt, sagt Effenberger. Doch natürlich gelte diese Aussage nur für gesunde Menschen. "Wer leberkrank oder süchtig ist, der darf keinen Tropfen Alkohol trinken". Es sind vor allem zwei bisher in der Öffentlichkeit weniger bekannte Langzeitstudien, die Effenberger für sein Plädoyer für einen "mäßigen Weinkonsum" anführt. Der Professor, der einen großen Teil von Medizinern hinter sich weiß, hält einen halben Liter Wein pro Tag bei Männern und einen viertel Liter bei Frauen für "gesundheitlich unbedenklich".

Effenberger führt vor allem die "Copenhagen City Heart Study" an, bei der 13.000 Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 79 Jahren über zwölf Jahre hinweg auf den Alkoholeinfluss untersucht wurden. Dabei wurden Gruppen gebildet, die entweder Wein, Bier, Spirituosen oder nur Wasser bekamen. In dem langen Untersuchungszeitraum sind ein Drittel der Probanden verstorben, so dass einigermaßen gesicherte Aussagen über den Einfluss der Getränke auf die gesundheitliche Entwicklung der Beteiligten gemacht werden können. Mit der Ausarbeitung der Ergebnisse war 1996 begonnen worden.

Es zeigte sich, dass die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit durch Wein um 60 Prozent und durch Bier um 28 Prozent erniedrigt war. Effenberger: "Bei der Gesamtsterblichkeit, die in starkem Maße durch Krebserkrankungen dominiert ist, ergab sich für Wein ein um 50 Prozent erniedrigstes Risiko, während Bier keinen positiven Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit hatte." Spirituosen führten indes bei gleicher Alkoholmenge zu einem um 35 Prozent erhöhten Risiko sowohl der Herz-Kreislauf- als auch der Gesamtsterblichkeit.

In den letzten 15 Jahren wurden laut Effenberger intensive Forschungen über oxidationshemmende Substanzen im Wein vorgenommen. Zwei Stoffe seien dabei mit Sicherheit als Antioxidantien identifiziert worden: Polyphenole und Resveratrol, das bei Verletzungen der Beerenhaut oder bei Pilzbefall gebildet wird. Generell könne gesagt werden, dass Antioxidantien nicht nur Koronar- und Gefäßkrankheiten vorbeugen, sondern dass sie auch eine wirkungsvolle Krebs-Prophylaxe darstellen.

Bei der immer wieder gestellten Frage, ob Weißwein oder Rotwein gesünder ist, schlägt sich Effenberger auf die Seite des Rotweins. Dabei verweist er vor allem auf die hohen Konzentrationen an Resveratrol zwischen 1,7 und 4,7 mg/Liter, wobei die Bordeaux und Burgunderweine am oberen Ende der Skala liegen. Dies liege vor allem daran, dass beim Keltern von Rotwein die Beerenhäute möglichst lange in der Maische verbleiben. Der durch die Gärung entstehende Alkohol begünstigt die Extraktion der in größeren Mengen auch in den Beerenhäuten vorhandenen Polyphenole und des Resveratrols. Bei Weißwein wird die Beerenhaut dagegen in der Regel sofort von der Maische getrennt.

Suchtexperten geben allerdings zu bedenken, dass es keinen risikofreien Alkoholkonsum gibt. Man kann lediglich eine risikoarme maximale Trinkmenge angeben. Für Gesunde betrage sie bei Männern drei Mal ein Achtel Liter Wein pro Tag und bei Frauen zwei Mal ein Achtel Liter Wein.