Was haben ein umgefahrenes Verkehrsschild und ein windschiefes Denkmal gemeinsam (und kann man das trinken)? Und wie gut hätte dem Goethe wohl die Farbe Rosarot gepasst?
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Grad erst bin ich ganz zufällig bei einem umstrittenen Denkmal an der Ringstraße herumgestanden und konnte nicht umhin, ein Pärchen zu belauschen. Er: "Du, des is doch dieser Büagamasta. Der Dings, der Bums, der .. . Lugner." - Sie: "Äh, is der ned Bau masta?" - Wieder er: "Jo eh. Oba Büaga masta isser a . Von da Lugner-City." Okay, das hab ich frei erfunden. Und der Lugner hat natürlich noch kein Denkmal am Ring.
Aber der Lueger. Und dem seiner Statue könnte es nun passieren, dass man sie um mindestens 3,5 Promille, äh: Grad, nach links kippt (von ihr aus betrachtet). Nein, da hat nicht irgendein Aktionskünstler soeben beschlossen, seine windschiefe Periode zu kriegen. Das ist bei einem Wettbewerb der Universität für angewandte Kunst rausgekommen. (Thema: Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal.) Oh, ich habs: Der Lueger war so rechtslastig, dass man ihn jetzt zum Ausgleich halt ein bissl nach links rüberschupst. (Würde man diesen Antisemiten völlig umlegen, hätte man ihn dann kerzengerade aufgerichtet?)
Ein Intellektueller würde jedenfalls sofort überreißen, was dieser Kippeffekt soll : "Jö, ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus!" Ein andrer könnte die Botschaft leicht missverstehen. Der sieht einen Mann mit Schlagseite und schlussfolgert chili scharf: ein Rauschiger. Na ja, ein Denkmal für den anonymen Alkoholiker ist sowieso längst überfällig. (Nach dem Vorbild vom Grabmal des unbekannten Soldaten.) So was gibts bestimmt bald überall.
Aus alldem folgt: Ein Denkmal muss idiotensicher sein. Sobald man ein Rätsel für Weggetretene draus macht (Tschuldigung: für Fortgeschrittene), ist es für die Fisch. Den Goethe am Opernring kann man trotzdem nicht so lassen. Den sollte man unbedingt pink anstreichen, selbst wenn das ein paar Passanten geistig überfordert. ("He, wieso hams denn den Goethe schweinderlrosa angmalt?" - "Na weil er ein Ferkel war. Der hat doch diese versaute Ballade gschriebn. Über so einen pädophilen Monarchen. Den Erlkönig.") Es kann ja nicht jeder auf dem neuesten Stand der Goethe-Forschung sein und wissen, dass der Dichterfürst 1997 (165 Jahre nach seinem Tod) schwul geworden ist. Als ihn nämlich ein Enthüllungsjournalist endlich geoutet hat.
Hm, statt den Lueger mühsam in eine Schieflage zu bringen, während die Trägheit der Masse erbittert Widerstand leistet, wärs da nicht eigentlich gscheiter, wenn die Bevölkerung an jedem 24. Oktober, also an seinem Geburtstag, in massenhysterische Rechtschaffenheit ausbrechen würde und ihn mit faulen Eiern bewerfen tät? Einmal hat mitten in Wien übrigens ein Unbekannter (wahrscheinlich ein radikaler Apokalyptiker) ein völlig harmloses Verkehrsschild durch bloßes Umknicken in eine gefährliche Drohung verwandelt.
Als ich in der Nähe vom Graben über dieses Werk gestolpert bin, hab ich zunächst noch gemutmaßt: Aha, eine neue Extremsportart (so wie in Amerika halt das Kühekippen): Verkehrsschilder niedermähen. Das Umschmeißen von im Stehen dösenden Wiederkäuern auf der Weide (manuell, nicht mit dem Auto!) war damals ja grad "der" Renner in Übersee. (Angeblich.) Aber dann hab ich bemerkt, dass das Schild just vor einer Kirche gefällt worden ist. Und was draufsteht: "Einbahn." (Könnte mir bitte amal jemand verraten, wer dieser Herr Einbahn war, und was der so Großartiges geleistet hat, dass fast sämtliche Straßen in Wien nach ihm benannt sind?) Und die Pfeilspitze hat den Asphalt berührt. Wenn das keine Gräuelpropaganda ist. ("Ihr werdet alle zur Hölle fahren!") -
Oder der Lenker des Wagens war einfach im Öl. (Und was kann einer, der in der Vollfettn ist, dafür, dass die ausgerechnet neben seinem Unfall irgendwann eine Kirche hingebaut haben?)