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Weisenrat soll EU-Zukunftsvisionen finden

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Ein Weisenrat soll sich Gedanken über die Zukunft der EU zwischen 2020 und 2030 machen. Erfahrene Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden darin bunt zusammengewürfelt. Von allen Seiten soll das Projekt EU betrachtet werden. Fraglich ist freilich, ob der für Juni 2010 vorgesehene Bericht der zwölf Weisen tatsächlich Visionen entwickeln kann, die zehn Jahre später immer noch Gültigkeit haben. Verbindlich sind die Empfehlungen des Rates ohnehin nicht.


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Ein Startnachteil der "Reflexionsgruppe" unter dem spanischen Ex-Premier Felipe Gonzalez ist auch, dass ihre Verwirklichung mehr oder weniger ein Gefallen gegenüber dem derzeitigen EU-Vorsitzenden Nicolas Sarkozy ist. Das Projekt ist ihm vor etwa eineinhalb Jahren eingefallen. Damals deklarierter Gegner des EU-Beitritts der Türkei, wollte er die Grenzen Europas diskutieren lassen. Doch damit stieß er auf wenig Gegenliebe. Jetzt soll der Weisenrat "die Schlüsselthemen und Entwicklungen identifizieren, die auf die EU zukommen, und analysieren, wie mit diesen umgegangen werden soll". Als Beispiele werden Wirtschaftserfolg und soziale Verantwortung, globale Stabilität, Migration, Energie, Klimaschutz und Terrorismus genannt.

Gonzalez zur Seite stehen als Vizepräsidenten die frühere lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga und der Ex-Chef des finnischen Mobiltelefonherstellers Nokia, Jorma Ollila. Neben dem österreichischen Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz beraten Ex-Wettbewerbskommissar Mario Monti, der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, der niederländische Architekt Rem Koolhaas, der Generaldirektor des britischen Industrieverbands, Richard Lambert, die französische Gewerkschafterin Nicole Notat, die aus Griechenland stammende Außenpolitikexpertin Kalypso Nicolaidis, die dänische Politologin Lykke Friis und Polens Ex-Präsident Lech Walesa.

Ansatzweise vergleichbar ist ihr Auftrag mit einem ähnlichen Gremium unter dem belgischen Ex-Premier Jean-Luc Dehaene, der vor dem EU-Gipfel von Laeken 2001 seine Meinung sagen durfte. Die Ideen eines weiteren Weisenrats unter dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Guiliano Amato im Herbst 2006 über Auswege nach den Niederlagen des Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden hielten überhaupt nur wenige Wochen.

Allein die Empfehlungen einer Gruppe unter dem heutigen Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari wurden wirksam, der 2000 die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Österreich wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ empfohlen hatte.

Nie wieder wurde seither Wind um sehr rechte oder sehr linke Koalitionspartner in Europas Regierungen gemacht. Grund dafür sind aber wohl eher pragmatische Überlegungen denn Ahtisaaris Bericht.