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"Weiß selber nicht, was wahr ist"

Von Daniel Bischof

Ein angeblicher Missbrauchsfall sorgt bei Prozessbeteiligten für Erstaunen und Verwunderung.


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Wien. "Ich mache das nun seit 30 Jahren. Aber dieser Strafakt ist einzigartig", sagt Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig. Verteidiger Philipp Winkler stimmt ihr zu: "Ich bin zwar erst seit 18 Jahren dabei. So einen Fall habe aber auch ich noch nie gesehen." Ein Prozess um einen angeblichen Kindesmissbrauch sorgt am Mittwoch am Wiener Straflandesgericht für Verwunderung. Herr A. soll von April 2014 bis November 2015 seine achtjährige Tochter circa 20 Mal missbraucht haben. Er hat sich vor einem Schöffensenat unter anderem wegen dem schweren sexuellen Missbrauch einer Unmündigen und Blutschande zu verantworten.

Doch sind es nicht die Vorwürfe, welche die erfahrenen Prozessbeteiligten so erstaunen, sondern die Zeugen. Die Aussage der Tochter, die ihren Vater schwer belastet, sei zwar glaubwürdig und überzeugend, erklärt Schrall-Kropiunig: "Deswegen habe ich die Anklage gemacht." Beim Angeklagten und den Zeugen - vor allem bei der Kindesmutter - müsse man aber vorsichtig sein. "Ich weiß selber nicht, was die Wahrheit ist", so die Anklägerin. "Das Pendel schlägt mal in die eine Richtung und dann in die andere", meint Verteidiger Winkler, der die Staatsanwaltschaft für ihre "fairen" Ermittlungen lobt.

Opfer eine Verschwörung

Der 51-jährige A. bestreitet die Vorwürfe. Er kam 2003 aus Nigeria nach Österreich. 2005 heiratete er eine Österreicherin, die aus Nigeria stammt, 2006 bekam das Paar eine gemeinsame Tochter. Ab April 2014 soll A. mit dem Mädchen - wenn er mit ihr alleine war - geschlafen haben. "Ich habe meine Tochter nie missbraucht", sagt A. Das sei gar nicht möglich gewesen, da er so gut wie nie mit seiner Tochter alleine gewesen wäre. "Alles war wunderbar. Wir haben eine ganz normale Beziehung gehabt", sagt er.

A. wittert eine große Verschwörung. Seine Ehefrau schmuggle gemeinsam mit Diplomaten und Vertretern einer Kirche nigerianische Frauen nach Europa, um sie der Prostitution zuzuführen. Einmal habe er seine Frau zum Bahnhof gefahren, da diese ihm gesagt habe, sie müsse ein "Paket" aus Bologna abholen. "Sie ist dann mit drei nigerianischen Mädchen zurückgekommen." Er habe die kriminellen Aktivitäten seiner Frau aufdecken wollen, deswegen habe sie ihn fälschlicherweise des Missbrauchs bezichtigt.

Gegen die Frau ist ein Ermittlungsverfahren wegen grenzüberschreitendem Prostitutionshandel anhängig. Laut Anklage hat sie in ihren Vernehmungen falsche Angaben gemacht. Aber auch A. gerät bei seiner Vernehmung durch die vorsitzende Richterin Elisabeth Reich mehrmals ins Straucheln. Im Mittelpunkt steht vor allem ein Übergriff, der sich am 08. Oktober 2015 zugetragen haben soll. Die Mutter kam an diesem Tag früher als geplant von einem Sprechtag an der Schule ihrer Tochter zurück. Laut der Mutter war die Wohnungstür unüblicherweise von innen verschlossen.

A. habe sie erst nach einiger Zeit, nachdem sie geläutet habe, hineingelassen. Die Tochter habe sich sehr lange auf der Toilette aufgehalten und dort mit WC-Spray eingesprüht. Die Oberlippe des Kindes sei geschwollen gewesen. Zudem habe sie im Ehebett eine Unterhose des Kindes gefunden. "Das ist eine ihrer Lügen, das ist nie passiert", sagt A. "Haben Sie ihre Tochter an diesem Tag vergewaltigt?", fragt Reich. "Nein", sagt A. lächelnd. "Warum lachen Sie da?", fragt Reich erbost. "Frau Rat, ich lache nicht!"

AKH-Befund belastet A.

Die Tochter wurde bereits im Ermittlungsverfahren einvernommen. In ihrem Gutachten führte die kinderpsychologische Sachverständige aus, dass das Mädchen aussagefähig ist. Es gebe keine Hinweise, dass das Kind beeinflusst worden sei. Zudem wurde in einem Befund des AKHs eine vaginale Verletzung beim Kind festgestellt, die ein sicheres Zeichen für eine Penetration darstellen soll. "Fairerweise muss man aber auch hier dazusagen: Die Mutter war mit der Tochter mehrere Monate alleine in Nigeria. Niemand weiß, was dort passiert ist", meint die Staatsanwältin.

Die Verhandlung wird auf unbestimmte Zeit vertagt. In einem Gutachten sollen nochmals die Verletzungen des Mädchens untersucht werden. Beim nächsten Verhandlungstermin wird wohl die Kindesmutter aussagen.