Zum Hauptinhalt springen

Weiße Kittel auf der Straße

Von Stephanie Schüller

Politik

Gemeinsam mit dem AKH und der MedUni sollen die Änderungen evaluiert werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Es ist noch nicht einmal 8 Uhr morgens und es regnet, als sich am Dienstag die ersten Personen rund um den Eingang zum Rektorats-Gebäudekomplex der Medizinischen Universität Wien (MedUni) in der Spitalgasse scharen. Viele von ihnen tragen weiße Kittel, einige verteilen Flyer, Frühstück, Regenponchos und Luftballons an die Wartenden. Heißgetränke sollen die Menschen zum Bleiben motivieren. "Personalabbau heißt Medizinabbau" lautet das Motto an diesem Morgen, das einem von den Flyern und Gewändern entgegenspringt. Selbst Polizeiautos sind neben einer kleinen Bühne stationiert, ein Teil der Spitalgasse wurde abgesperrt.

Protest im Regen

Grund dafür ist eine Betriebsversammlung der Ärzte der MedUni Wien. Wegen der Streichung von insgesamt elf Journaldienststellen trotzen die Mediziner an diesem Tag den schlechten Wetterbedingungen auf der Straße, machen ihrem Unmut Luft, verschaffen sich Gehör. "Wir stehen nicht gerne auf der Straße, aber es gibt keine andere Möglichkeit", sagt Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer. Der kleine Mann mit der Brille spricht von der überdachten Bühne zu einer Horde von Regenschirm- und Kapuzenträgern.

Der Hintergrund: Mit Anfang des Jahres veranlasste MedUni-Rektor Wolfgang Schütz die Streichung von insgesamt elf sogenannten Nachtjournaldiensten. Bisher haben im AKH 173 Ärzte pro Nacht gearbeitet, jetzt sind es nur mehr 162. Im Gegenzug sollen 22 neue Ärzte für die Arbeit tagsüber eingestellt werden. Das heißt, auf jede Dienststelle, die in der Nacht eingespart wurde, kommen zwei neue Ärzte für die Tagesarbeit. Zusätzlich zu den neuen Ärzten können laut MedUni-Sprecher Johannes Angerer diejenigen, deren Nachtdienst gestrichen wurde, tagsüber eingesetzt werden.

Der Betriebsratsobmann des wissenschaftlichen Personals, Thomas Perkmann, sowie Vertreter der Arbeiterkammer sehen darin einen Nachteil für die behandelnden Ärzte und deren Patienten. Sie stellen sich deshalb mit ihren Anliegen in den Regen, das AKH wollte die Aula im Eingangsbereich dafür nicht zur Verfügung stellen. Perkmann spricht von einer "überfallsartigen" Streichung der Dienste, die man so auf keinen Fall akzeptieren könne. "Wir stoßen an unsere Grenzen und glauben, den Personalabbau nicht ausgleichen zu können", sagt er.

Einsparungen gibt es unter anderem im Bereich der Dermatologie, der Chirurgie, der Neurologie sowie der Anästhesie. Vor allem letztere Abteilung ist betroffen, der Akutschmerz-Journaldienst wurde gestrichen. Hans-Georg Kress, Leiter der Schmerztherapie-Abteilung, ist empört: "Wir tun, was wir können. Aber der Wegfall eines so spezialisierten Schmerzdienstrades kann nicht kompensiert werden, er ist ja ersatzlos erfolgt." Keiner der Zuständigen habe diese Einschränkungen und Sparmaßnahmen davor mit ihm besprochen. Welche Abteilungen noch betroffen sind, und wie viele Ärzte dort im Vergleich zu vorher im Einsatz sind, das will Angerer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" nicht bekanntgeben.

Aussage gegen Aussage

Den speziellen Fall in der Anästhesie will die Volksanwaltschaft prüfen. In einer Presseaussendung stellt Volksanwalt Günther Kräuter klar: "Der Journaldienst, der außergewöhnlich stark leidende Patienten nach schwerwiegenden Eingriffen oder Krebspatienten bei unerträglichen Schmerzen beistand, muss sofort wieder eingerichtet werden." Auf Seite der MedUni versteht man die Aufregung darüber nicht. "Die Zahl der in der Nacht behandelnden Ärzte in der Anästhesie ist von 31 auf 29 Personen gesunken. Jeder dieser Ärzte kann Schmerz behandeln. Ursprünglich gab es zwei Ärzte für komplexe Schmerzbehandlung, einer wird weiterhin da sein", so Angerer. Laut Kress gebe es aber bereits erste Beschwerden von Patienten, die nicht ausreichend schmerzversorgt werden können, und deren Angehörigen.

Schütz erschien nicht zur Betriebsversammlung. Er wolle diese Diskussion intern führen, sagt Angerer. In einer Presseaussendung steht Schütz zu seiner Entscheidung: "Die Strukturreformen werden fortgesetzt, an der Anzahl der reduzierten Journaldienste wird festgehalten." Die Ursache hätten diese Maßnahmen in einer Betriebsvereinbarung zum Krankenanstalten-Arbeitsgesetz, das zwischen dem Betriebsrat und dem Rektorat der MedUni vereinbart wurde. Dass in Folge Journaldienststellen abgebaut werden sollten, war damals jedoch noch nicht bekannt.
Von einer plötzlichen, nicht ausreichend kommunizierten Änderung könne laut Angerer dennoch nicht die Rede sein: "Die Streichung der Journaldienste wurde nicht mit dem gesamten Personal, aber mit den jeweiligen Klinikleitern abgesprochen." Was den Einsatz der 22 neuen Ärzte betrifft, seien diese noch nicht alle im Dienst. "Es Bedarf Zeit, diese zu suchen", so Angerer.

Bereits am Montag haben sich Schütz, der Betriebsrat sowie die ärztliche Direktion des AKH in einer Arbeitsgruppe darauf geeinigt, die Umstrukturierung der Journaldienste gemeinsam zu evaluieren. Die ärztlichen Mitarbeiter der MedUni Wien haben jetzt außerdem einen offenen Brief an Funktionäre des AKH, der Politik, der Ärztekammer sowie der MedUni adressiert. Die Verfasser fordern, noch einmal, die Rücknahme der bereits erfolgten Journaldienstreduktion. Außerdem soll es künftig keine Personalreduktionen ohne Leistungs- und Personalbedarfsplanung geben.