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Weißer Präsident, dunkle Flecken

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

In den USA hat keine andere Minderheit so einhellig gegen Donald Trump gestimmt wie die Afroamerikaner.


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Washington D.C. Im Nachhinein besehen kam es, wie es wahrscheinlich kommen musste. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist der Martin-Luther-King-Tag ein nationaler Feiertag, der jedes Jahr am jeweils dritten Montag des neuen Jahres stattfindet (Kings Geburtstag ist der 15. Jänner). Seit seiner Einführung unter Präsident Ronald Reagan Mitte der Achtzigerjahre gilt er nicht ausschließlich, aber besonders für jene Bevölkerungsgruppe als Hochamt, der King selber angehörte und für deren Bürgerrechte er bis zu seinem Tod durch eine Kugel aus dem Gewehr des Rassisten James Earl Ray 1968 unermüdlich kämpfte: die schwarzen Amerikaner, die Nachfahren ehemaliger Sklaven aus Afrika, die erst durch den Mitte der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts Bundesgesetz gewordenen Civil Rights Act auch formal die volle Gleichberechtigung mit ihren vormaligen weißen Herren erfuhren.

Nachdem der heurige "MLK Day" unter besonderen Vorzeichen, weil vier Tage vor der Angelobung von Donald John Trump zum 45. Präsidenten der USA stattfand, waren die Sicherheitsvorkehrungen für die damit einhergehenden Feierlichkeiten allerorts im Land drastisch erhöht worden. Was den Ex-Reality-TV-Star nicht davon abhielt, noch mehr Öl ins - aufgrund seines teils verdeckt, teils offen rassistisch geführten Wahlkampfs - da und dort bereits hell lodernde Feuer zu gießen.

Als Ziel seines per Twitter verbreiteten verbalen Brechdurchfalls hatte Trump, quasi dem Anlass entsprechend, diesmal den Kongressabgeordneten John Lewis auserkoren, der seit 1987 den fünften Wahlbezirk des Bundesstaates Georgia im Abgeordnetenhaus vertritt.

Verprügelt und 54 Jahre später immer noch verspottet

Der heute 76-Jährige ist einer der wenigen noch aktiven Politiker im Land, die Martin Luther King junior noch persönlich kannten und mit ihm bereits zu einer Zeit für Gleichberechtigung und die Einhaltung der Menschenrechte marschierte, als das FBI - wie die Mehrheit des weißen Amerika - derlei noch für kommunistische Propaganda hielt. 1963 war Lewis dafür unter anderem von der Polizei von Selma, Alabama, brutal verprügelt worden. Weil der Mann angesichts der - mittlerweile von zahlreichen Berichten der nationalen In- und Auslandsgeheimdienste belegten - russischen Einmischungen in die US-Innenpolitik zugunsten Trumps dessen Präsidentschaft für "illegitim" hält und ankündigte, als Konsequenz daraus der Angelobung fernzubleiben, schlug der designierte Präsident zurück. Wie gewohnt auf 140 Zeichen: "John Lewis sollte sich lieber um seinen zusammen krachenden Distrikt kümmern (von der hohen Kriminalitätsrate dort ganz zu schweigen), anstatt sich über angeblich falsche Wahlergebnisse zu beschweren. Alles Gerede, keine Action!"

Nicht, dass Lewis der Einzige wäre, der Freitag nicht in Washington dabei sein wird: Mittlerweile haben sich dutzende weitere Demokraten dem Boykott der Zeremonie angeschlossen. Trumps mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Minderheiten im Allgemeinen und jener der Afroamerikaner im Besonderen kommt nicht von ungefähr. Bei der Wahl am 8. November gab die überwältigende Mehrheit der schwarzen Amerikaner nicht ihm, sondern Hillary Clinton ihre Stimme. Keine Überraschung, finden sich doch Afroamerikaner, die konservativ wählen, seit der Institutionalisierung des Civil Rights Act von 1964 durch John F. Kennedy-Nachfolger Lyndon B. Johnson in den gesamten USA nur mehr in Spurenelementen - und dann meist religiös bedingt.

Das Signal, dass sich Trump rund um den MLK-Feiertag ausgerechnet Lewis zum Streiten ausgesucht hat, könnte trotzdem aussagekräftiger kaum sein. Die Tatsache, dass der künftige Präsident nicht viel von seinen afroamerikanischen Mitbürgern hält, zeigt alleine die ethnische Zusammensetzung seines Kabinetts. Als einziger hochrangiger Schwarzer findet sich darin der pensionierte Gehirnchirurg Ben Carson, der seine eigenen Ambitionen aufs höchste Amt im Staat aufgrund sagenhafter politischer Inkompetenz frühzeitig begraben musste - unter anderem log er über Teile seiner Biografie und meinte, die ägyptischen Pyramiden seien in Wirklichkeit Kornspeicher gewesen. Als Dank für die Unterstützung Trumps nach seinem Ausscheiden aus den republikanischen Primaries darf der 65-Jährige nun den Minister für öffentlichen Wohnbau geben - ein Amt, für das er ebenfalls keinerlei wie immer gearteten fachlichen Qualifikationen aufweist.

Mit seiner Personalpolitik setzt Trump indes nur konsequent das fort, was er im Wahlkampf begonnen hat. Das Einzige, was dem New Yorker Immobilienmagnaten zum Thema Afroamerikaner lange einfiel, bestand in dem stetigen Verweis auf den angeblich durchwegs "katastrophalen" Zustand der vor allem von ihnen bewohnten Innenstädte Amerikas. Was den meisten von ihnen aber noch saurer aufstieß, waren weniger die Themen als die extrem herablassende Art, mit der der Spitzenkandidat der Konservativen über sie sprach. Regelmäßig redete Trump von "unseren armen Afroamerikanern", die den Demokraten "nichts schulden. Schaut euch nur an, wie weit euch ihre Stimmen für sie gebracht haben." Was gerade den Angehörigen der schwarzen Mittel- und Oberschicht sauer aufstieß, waren dementsprechend vor allem die unmittelbar nach der Wahl einsetzenden Beschwichtigungskommentare der Mainstream-Medien, in der von - selbstredend ausnahmslos weißen - Kommentatoren gebetsmühlenartig betont wurde, dass man das Ergebnis trotz allem nicht als rassistisch motiviert einordnen könne; schließlich gäbe es unter Trumps Wählern viele, die auch für Obama gestimmt hätten.

Wahl- und andere Schikanen gegen Schwarze

Davon abgesehen, dass diese Sichtweise im Lichte der hochproblematischen Geschichte der schwarzen Minderheit im Land eine, gelinde formuliert, unzulässig verkürzte ist, wiegt sie angesichts dessen, was sich seit Jahren in den Bundesstaaten des Südens und im Mittleren Westen abspielt, noch schwerer. Überall, wo die Republikaner die Mehrheit in den Parlamenten haben, tun sie mit Hilfe von sogenannten "Voter ID Laws" und allen anderen möglichen Schikanen alles, um es Angehörigen von Minderheiten so schwer wie möglich zu machen, ihre Stimmen abzugeben. Was Trump im Besonderen angeht, gibt es aber noch etwas, dass viele Afroamerikaner bis heute weder vergessen noch vergeben haben: die sogenannte "Birther"-Affäre, im Rahmen derer Trump wider besseren Wissens jahrelang behauptete, dass der erste schwarze Präsident der Geschichte nicht in den USA geboren sei.

Nachdem sich diese Verschwörungstheorie unter den Angehörigen der republikanischen Basis bis heute großer Popularität erfreut, erfährt sie dieser Tage in den sozialen Medien so etwas wie eine Wiederauferstehung. Motto: Wenn die Demokraten Trumps Präsidentschaft illegitim nennen, sollen sie sich doch an der eigenen Nase nehmen.

Freilich: So spezifisch die Beschwerden der schwarzen Amerikaner sein mögen, eint sie am Ende doch eines mit dem Rest der Bevölkerung, die den orange-farbigen Demagogen Trump nicht gewählt hat: die Suche nach Strategien, wie man mit der neuen, de facto totalen Macht jener politischen Kräfte im Land umgeht, die den offiziellen Segen des Ku-Klux-Klans, der American Nazi Party und der europäischen Rechtsradikalen haben.

Bisher halten sich in diesem Zusammenhang offene Aufrufe zum Widerstand wie zur Resignation die Waage. Am besten auf den Punkt brachte es vielleicht der Stand-up-Comedian Dave Chappelle, ein Mann, der nicht umsonst seit zwei Jahrzehnten als einer der schärfsten und witzigsten Beobachter der amerikanischen Gesellschaft gilt. Als Chappelle kurz nach der Wahl Donald Trumps die von diesem regelmäßig gedisste Satiresendung "Saturday Night Live" moderierte, fasste er den Gemütszustand der afroamerikanischen Community so zusammen: "Die Weißen sollen das unter sich ausmachen, so wie früher. Uns geht das nichts mehr an."