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Da nun das Jahr zu Ende und alle Welt daran geht, zu bilanzieren, zu resümieren und rückzublicken, will auch ich mich ein bisserl erinnern. Heuer könnte ich ein kleines Jubiläum feiern; vor 45 Jahren habe ich zum ersten Mal ferngesehen. Es war eine Direktübertragung ("live" galt damals nur als simples englisches Verb) aus Berlin, und zwar des Fußballländerspiels Deutschland gegen Österreich - es endete übrigens 2 : 2, die Tore schossen Rahn (2) bzw. Horak und Knoll.
Seit 1958 bin ich also Fernseher, mit wechselndem Interesse und unterschiedlicher Intensität. Ich habe so wichtige televisionäre Schwarzweiß-Ereignisse wie den "Herrn Karl", die "Bilanzen" des Karl Farkas oder die Mondlandung der Amerikaner direkt miterlebt; auch die junge, bunte ORF-Vergangenheit findet in mir einen brauchbaren Zeitzeugen. In diesen 45 Jahren hat sich das Fernsehen, in seiner Substanz wie in seinem Aussehen, markant verändert, tempora mutantur. Allerdings und erstaunlicher Weise haben zwei regelmäßig wiederkehrende Programmpunkte sich dem Lebensverwandlungsprozess bis heute hartnäckig entzogen: die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten und die Waschmittelwerbung.
Wenn das Oberhaupt des Staates zu seinen Bürgern spricht, geschieht das seit Jahrzehnten in der immer gleichen Inszenierung: im Hintergrund die Nationalfahne, im Vordergrund der Präsident, ernst sitzend, streng blickend, mahnende Worte sprechend. Klischee gewordene Tradition. (Ob man damit bei der politikverdrossenen Jugend punkten kann, darf bezweifelt werden.) Dass der Hang zu einem erzkonservativen Erscheinungsbild die Nähe des Ober-Österreichers sucht, mag noch irgendwie verständlich sein - was aber findet er an chemischen Reinigungsprodukten? Seit ich fernsehen kann, schaut die Waschmittelwerbung immer gleich aus: Eine glückliche, strahlende Hausfrau hält eine Stück weiße Wäsche in die Kamera, dazu ertönt eine glückliche männliche Stimme: Omo, Persil usw. wäscht weißer - das strahlendste Weiß, das es je gab! Weißheit, mir graut's vor dir.