Mit der Erarbeitung der Lissabon-Strategie hat sich die EU vor vier Jahren ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: bis zum Jahr 2010 stärkste Wirtschaftsmacht der Welt zu werden. Davon ist die Union derzeit noch weit entfernt. Wie der Prozess beschleunigt werden kann, wird - neben den Möglichkeiten der Terrorbekämpfung - beim heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel Gesprächsthema für die Staats- und Regierungschefs sein.
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Geht es nach Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sollte das Thema Terrorbekämpfung nicht alles andere überschatten. "Es wäre schade, wenn wir nur darüber reden", erklärte er im Vorfeld des für heute und morgen angesetzten EU-Gipfels in Brüssel. Denn das Frühjahrstreffen der EU-Staats- und -Regierungschefs sei traditionell Wirtschaftsthemen gewidmet. Diese stehen auch diesmal auf der Tagesordnung.
So müsste der in der Lissabon-Strategie festgelegte Prozess beschleunigt werden. Immerhin hat sich die EU vor vier Jahren zum Ziel gesetzt, bis 2010 zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" zu werden. "Mag sein, dass wir uns ein bisschen übernommen haben", räumte Schüssel gestern ein. Zwar habe Europa in den ersten zwei Jahren aufgeholt, sei dann aber wieder zurückgefallen. Österreich erfülle 58 Prozent der Ziele. Diese seien nicht unerfüllbar, fügte der Bundeskanzler hinzu: "Doch wir müssen die Anstrengungen erhöhen."
Ähnlich sieht dies der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und der Eurochambres, Christoph Leitl, der den zunehmend größeren Abstand zwischen den USA und Europa bei den "zentralen ökonomischen Indikatoren" beklagt. "Es besteht akuter Handlungsbedarf", meinte Leitl: Europa brauche eine "wachstumsorientierte Strategie mit dem Ziel der Vollbeschäftigung".
Bekämpfung des Terrors soll wirksamer werden
Verstärkt werden sollen ebenso die Bemühungen um gemeinsame Terrorbekämpfung. Österreich werde die von der EU vorgesehenen Anti-Terror-Maßnahmen unterstützen, kündigte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner an. So werde Österreich im Kampf gegen den Terror nicht allein sein. Künftig soll ein EU-Koordinator für Terrorbekämpfung die Maßnahmen der EU-Staaten aufeinander abstimmen. Auch soll die in der EU-Verfassung vorgesehene Solidaritätsklausel beschleunigt angenommen werden. Damit verpflichten sich die Staaten zum gegenseitigen Beistand bei Terroranschlägen. Einige Länder seien im Bereich der Terrorbekämpfung säumig, führte Ferrero-Waldner aus. Damit meine sie "die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit, die nur sporadisch funktioniert". Österreich selbst hat den Europäischen Haftbefehl noch nicht umgesetzt. Die Gesetzesvorlage liege jetzt im Parlament, das zu entscheiden hat, erklärte die Außenministerin.
Auch der französische Präsident Jacques Chirac betonte gestern, dass die Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus ausgeweitet werden müsse. Frankreich werde die Vorschläge der Ratspräsidentschaft "mit Kraft" unterstützen.
Zum Stand der Diskussion um die EU-Verfassung
Dass diese Überlegungen Auswirkungen auch auf die Arbeit an der EU-Verfassung haben werden, ist absehbar. Eine Einigung ist zwar nicht zu erwarten. Doch nach dem Regierungswechsel in Spanien und dem Einlenken Polens in der Frage des Abstimmungsmechanismus wird eine Lösung bis Juni wahrscheinlicher. Heute Abend will der irische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bertie Ahern den Staats- und Regierungschefs einen Bericht über den Stand der im Dezember angebrochenen Diskussion vorlegen. Dann steht die Wiederaufnahme der Regierungskonferenz zur Debatte.