Eurobarometer: Österreich bildet Schlusslicht bei Zustimmung zur Union. | Starke Skepsis zu Erweiterung. | Wien. Wer hat die Laterne? Die Frage taucht im Brüsseler Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission, jedesmal auf, wenn die Ergebnisse des Eurobarometer vorliegen. Und auch diesmal lautet die Antwort darauf, wer das Schlusslicht bei der Zustimmung zur Europäischen Union bildet: Österreich. Nur 36 Prozent der Befragten finden, ihre Mitgliedschaft in der EU sei "eine gute Sache". Sogar im EU-skeptischen Großbritannien sind es mehr: 39 Prozent. Und in Polen - dessen Regierung ebenfalls öfter nationalistisch denn integrationsfreudig auftritt - halten gar 67 Prozent der Menschen die EU-Mitgliedschaft für gut.
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Positiver eingestellt sind in Österreich immerhin junge Menschen: 48 Prozent der 15- bis 24-Jährigen bejahen das Dabeisein in der Union. Vorteile davon empfinden in dieser Altersgruppe fast zwei Drittel der Frauen und mehr als die Hälfte der Männer. Generell orten 44 Prozent Vorteile dank der EU-Mitgliedschaft. Als "zufriedene Skeptiker" bezeichnete daher Außenministerin Ursula Plassnik ihre Landsleute.
Weit weniger Begeisterung löst in Österreich die Erweiterungsfrage aus, obwohl gerade dieses Land von der Aufnahme der osteuropäischen Staaten stark profitiert hat. Lediglich 28 Prozent der Befragten befürworten eine weitere Ausdehnung der Union. Im EU-Schnitt sind es 49 Prozent. In Österreich komme es bei den Menschen nicht an, dass die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre mit der Erweiterung zusammenhängen, sagte Harald Pitters vom Meinungsforschungsinstitut Gallup bei der Präsentation des Länderberichts.
Geschürte Ängste
Eine überwältigende Fangemeinde hat die Europäische Union in Österreich noch nie gehabt, auch wenn im Jahr 1994 zwei Drittel der Bevölkerung ja zum Beitritt gesagt haben und sich auch jetzt keine Mehrheit für einen Austritt aus der EU finden würde. Die Suche nach den Gründen für die Skepsis aber ist eine mühsame. Denn je emotionalisierter ein Thema ist - in Österreich etwa die Einwanderung -, umso weniger nachvollziehbar die Argumente.
So weist Harald Pitters darauf hin, dass nicht zuletzt Politiker die Angst vor einer Überflutung mit billigen Arbeitskräften nach der Osterweiterung geschürt haben. Dass das Szenario aber keineswegs eingetreten ist, wurde schon nicht mehr kommuniziert.
Andere Experten wiederum orten eine - europaweite - Tendenz zur Abschottung. "Das bisschen Wohlstand, das wir haben, wollen wir nicht teilen", scheint das Motto zu sein. Unberücksichtigt bleiben dabei Tatsachen wie das Altern der Gesellschaften in den meisten EU-Ländern, der drohende Arbeitskräftemangel, die Expansionsbestrebungen der Wirtschaft.
Die österreichischen Unternehmen haben meist keine Berührungsängste mit neuen und künftigen EU-Mitgliedern. So weit sind große Teile der österreichischen Bevölkerung allerdings noch nicht.