Katzian fordert breite, öffentliche Debatte über Reform. | Neugebauer wünscht sich starke Teilgewerkschaften. | Wien. "Stärker, schlanker, moderner, transparenter und demokratischer" soll nach den Wünschen des geschäftsführenden Präsidenten Rudolf Hundstorfer der ÖGB in fünf Jahren aussehen. Ein Grundstein für die Neuausrichtung wird kommenden Dienstag gelegt, wenn sich Präsidium und Vertreter der Teilgewerkschaften zum Reform-Startschuss treffen.
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Allerdings wird an diesem Tag vorerst einmal nur ein Prozessablauf festgelegt. Dabei müsse man aber schon Professionalität bieten "und kein Design vorgeben, bei dem sich einige wenige zurücklehnen und darauf warten, bis der weiße Rauch aufsteigt", beschreibt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Wolfgang Katzian, seine Vorstellungen gegenüber der "Wiener Zeitung". Fritz Neugebauer, Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), findet, dass es gar keinen Startschuss für eine Reform braucht. "Wir befinden uns schon jetzt in ständigen internen Diskussionen."
Am Dienstag werde es daher nur darum gehen, Arbeitsgruppen mit Themenbildern einzusetzen und einen Zeitplan vorzugeben. "Wir werden im Juni die Pflöcke einsetzen. Im Herbst soll ein Diskussionspapier vorliegen, damit die Beschlussreife bis zum ÖGB-Kongress im Jänner gegeben ist", steckt Neugebauer den Zeitplan ab.
Der GÖD-Chef plädiert für die Einrichtung von Arbeitsgruppen, die mit hauptberuflichen und ehrenamtlichen Funktionären besetzt werden sollen.
Katzian drängt darauf, die Reformdiskussion öffentlich zu führen: "Das muss eine breite Angelegenheit werden." Die Krise des ÖGB sei eine öffentliche, daher müsse auch die Reformdiskussion öffentlich geführt werden, verwahrt sich Katzian gegen jeden Maulkorb. Er fordert die Einbeziehung von Mitgliedern und Betriebsräten. Bis zum ÖGB-Kongress soll es nach Katzian "ein Bild geben, das von allen getragen wird". Davor erwartet er eine "Rüttelstrecke im Herbst". Darunter versteht der GPA-Chef die Einrichtung einer Internetplattform zur freien Meinungsäußerung für alle: "Dort werden wirs uns geben."
Ein ÖGB oder die Macht der Einzelnen?
Dennoch stellt sich die Frage schon jetzt, wie denn ein neuer ÖGB aussehen soll. Da haben die beiden Vorsitzenden völlig unterschiedliche Vorstellungen. Man müsse sich die Frage stellen, wie man die Gewerkschaft heute gründen würde, meint Katzian. Die Frage sei, "sollen die drei Millionen Arbeitnehmer Österreichs sich in zehn bis 15 Teilgewerkschaften oder in einer einheitlichen mit einer dezentralen Struktur wiederfinden". Er sieht die Zukunft in einem Verband, der nach Wirtschaftsbereichen und regional strukturiert sein soll. Das Ganze mit einer "starken internationalen Ausrichtung", sagt Katzian. Schließlich würde ein Großteil der Gesetze auf EU-Ebene beschlossen. Katzian nehme da die GPA als Vorbild für alle, meint dazu Neugebauer. "Das ist ein zentralistisches Modell, das sich jetzt ad absurdum geführt hat." Der GÖD-Chef erinnert daran, dass der ÖGB eine Gründung der Gewerkschaften ist, "daher sind die Teilgewerkschaften zu stärken, bis hin zur Teilrechtsfähigkeit". Das bedeute eine Stärkung der Subsidiarität und der Kontrolle der Fachgewerkschaften. "Kontrolle auf breiter politischer Basis", lautet Neugebauers Nachsatz. Und er findet, dass sich der ÖGB auf die übergeordneten Bereiche beschränken soll.
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