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Weiter am Tropf

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Griechenland verhandelt mit seinen Gläubigern die Bedingungen für eine weitere Tranche des dritten Hilfspaketes.


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Athen/Wien. Griechenland ist, sieben Jahre nach dem Staatsbankrott, nach wie vor abhängig von internationalen Gläubigern. Die griechische Wirtschaft hat 2016 das achte Rezessionsjahr in Folge erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte 2016 laut Statistikbehörde Elstat um 0,05 Prozent. Auch die Umfragewerte von Regierungschef Alexis Tsipras und seiner linken Partei Syriza sinken. Die Zustimmung von rund 36 Prozent bei der Parlamentswahl 2015 fielen auf aktuell 15,5 Prozent. Die Griechen erwarten, dass sich die allgemeine wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert. Sie befürchten weitere Steuererhöhungen und Pensionskürzungen. Neuwahlen, wie von der Opposition gefordert, lehnt die Regierung jedoch strikt ab - spätestens im September 2018 wird aber wieder gewählt werden.

Auch im Reformstreit um Griechenlands Wirtschaft hat Tsipras momentan keine glückliche Hand. Die griechische Regierung und die internationalen Geldgeber scheinen sich nicht auf die Maßnahmen zur Aufnahme der zweiten Überprüfung des Hilfspaketes einigen zu können. Für die nächste Tranche des insgesamt 86 Milliarden Euro starken Programmes wird bis an das letztmögliche Zeitlimit gepokert. Meinungsverschiedenheiten gibt es bei den Haushaltszielen, Privatisierungen sowie der Reform des Rentensystems und des Arbeitsmarktes. Tsipras’ Regierung wirft den Gläubigern übermäßige Härte vor - die wiederum kritisieren Athen als reformunwillig. Am 7. April treffen sich die Euro-Finanzminister zu Beratungen in Malta - bis dahin muss jedenfalls eine Einigung erzielt werden.

Tsipras sieht sein Land dennoch auf dem Weg der Besserung. Prognosen signalisieren, dass die griechische Wirtschaft in den nächsten zwei Jahren außerordentlich hohe Wachstumsraten haben werde, so der Ministerpräsident. Griechenland soll bereits im Sommer an die internationalen Finanzmärkte zurückkehren können. Der Chef der Nationalbank datierte die Machbarkeit dieses Schrittes allerdings auf 2018. Denn die Arbeitslosenquote steigt nach leichten Rückgängen wieder und liegt immer noch mehr als doppelt so hoch wie in der Eurozone. Ende 2016 waren fast 24 Prozent der Griechen erwerbslos - fast drei Viertel davon bereits seit mehr als einem Jahr. Immerhin: Ende 2015 waren noch 48,6 Prozent ohne Job gewesen.

Der griechische Schuldenberg, der 180 Prozent des BIP beträgt, soll vor allem mit Steuereinnahmen saniert werden. So wurde die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von ehemals zehn auf heuer 24 Prozent erhöht. Dazu kommen Sonderabgaben auf Kaffee, Tabak und Benzin. Auch Immobilien sind je nach Lage und Größe mit 25 Prozent besteuert. Je mehr die Steuerschraube aber angezogen wird, desto weniger Einnahmen generiert der Staat. Seit 2010 sind diese um zwölf Prozent gesunken, so eine Studie von Ernst & Young.

Hoffnung auf Privatisierungen

Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Athen, Gerd Dückelmann-Dublany, bezeichnet das als klaren Fall von "Überbesteuerung". Freiberufliche seien etwa insgesamt mit 65 Prozent Steuern konfrontiert, Unternehmen zahlen faktisch bis zu 80 Prozent Steuern. Investitionen aus dem Ausland halten sich dementsprechend in Grenzen - Unternehmen, etwa Reedereien, wichen bereits nach Bulgarien oder Zypern aus, so Dückelmann-Dublany. Es sei ein "Wettlauf gegen die Zeit", bis die Steuereinnahmen einbrechen - und ob bis dahin die Reformen greifen, sei fraglich.

Als weiteres großes Problem führt der Wirtschaftsdelegierte die verhältnismäßig vielen Importe des Landes an. Trotz Besserungen importiert das Land nach wie vor nahezu dreimal so viel, wie es exportiert - angesichts der kaum vorhandenen Industrie ein schwer zu lösendes Problem, dass sich mit landwirtschaftlichen Produkten und Tourismusbemühungen nicht glätten lässt.

Auch faule Kredite belasten Griechenland. 45 Prozent der Kredite im Wert von 108 Milliarden Euro werden seit mehr als drei Monaten nicht mehr bedient, so Dückelmann-Dublany.

Dennoch ist nicht nur Tsipras hoffnungsvoll, auch die OECD und die griechische Nationalbank prognostizieren heuer ein Plus beim BIP. Den Turnaround soll das Land mit Reformen und vor allem mit weiteren Privatisierungen schaffen. Auf diese Weise, so hat Griechenland seinen Geldgebern im Gegenzug für das dritte Hilfsprogramm versprochen, könne man bis 2022 insgesamt 14 Milliarden Euro einnehmen. Auch Dückelmann-Dublany sieht in Privatisierungen Chancen und verweist auf den Erfolg von Piräus. Der Hafen gehört mittlerweile mehrheitlich der chinesischen Großreederei Cosco und spielt dem griechischen Staat jährlich 100 Millionen Euro ein. Auch die Übernahme von 14 Flughäfen durch Fraport für eine Konzessionsgebühr von 1,23 Milliarden Euro soll künftig zur Sanierung des Staatshaushaltes beitragen. Weitere Anläufe zur Privatisierung wie etwa beim Gasnetz-Betreiber Desfa stehen ebenfalls bevor.

In zehn Jahren einmal pleite

Trotz des Zorns gegen die Auflagen der Gläubiger scheint es den Griechen wichtig, im Euro zu bleiben - dafür sprachen sich in einer Umfrage kürzlich 65 Prozent aus. Bedenkt man die Importabhängigkeit des Landes und dass 70 Prozent der Materialien für die heimische Industrie aus der EU kommen, wäre ein Grexit auch aus Sicht des Wirtschaftsdelegierten fatal.

Das Kreditausfallrisiko Griechenlands sollte jedoch nach wie vor zu denken geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland innerhalb von zehn Jahren einmal pleitegeht, liegt demnach bei 80 Prozent. Das Worst-Case-Szenario eines erneuten Zahlungsausfalles des EU-Landes sollte jedenfalls eingeplant werden.