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Weiter EU-Turbulenzen im heimischen Steuerrecht

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Steht das heimische Umsatzsteuerrecht im Dauerkonflikt mit der Europäischen Union? Immer wieder weisen Experten auf Paragraphen dieses wichtigen Gesetzes hin, die sich mit den | Steuerrichtlinien der Gemeinschaft offenbar nicht vereinbaren lassen. Dabei geht es vor allem um Probleme des Vorsteuerabzugs und um die fiktive Eigenverbrauchsbesteuerung für im EU-Ausland bestellte | Lieferungen und Dienstleistungen.


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Die Diskussion stellt auch das Vorsteuerverbot beim häuslichen Arbeitszimmer und bei den Bewirtungsspesen in Frage. Verdikt der Experten: alles europarechtswidrig!

Die jüngste Breitseite der Steuerfachleute richtet sich gegen die Einschränkung des Vorsteuerabzugs bei betrieblichen Klein-LKW und Kleinbussen. Seit dem Strukturanpassungsgesetz von 1996 ist die

Liste der damals vorsteuerbegünstigten Fahrzeuge praktisch auf drei KFZ-Typen zusammengestrichen worden: auf Kasten-, Pritschen- und Leichenwagen; Kleinbusse sind nur unter besonderen technischen

Auflagen zugelassen.

Eine Diskriminierung der Klein-LKW

In einer Analyse des Steuerfachsenats der Treuhänderkammer wird die seit 1996 aus fiskalischen Erwägungen erfolgte Beschneidung der Klein-LKW-Typologie als mit dem steuerlichen EU-

Gemeinschaftsrecht unvereinbar bezeichnet. Von österreichischer Seite sei nicht einmal der Versuch unternommen worden, die rigorose Beschneidung des Vorsteuerrechts mit dem Mehrwertsteuerausschuß der

EU-Kommission abzuklären, meinen die Experten.

"Der Fachsenat hält daher die im Gefolge des StruktAnpG 1996 erfolgte Einschränkung des Vorsteuerabzugs für bestimmte Klein-LKW und Kleinbusse für europarechtswidrig", heiát es in der prominenten

Expertise.

Ein fragwürdiges Vorsteuerverbot?

Tatsächlich ist die EU-Kommission zu diesem Streitthema inzwischen schon selbst aktiv geworden und hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Zumal die österreichische

Typeneingrenzung nach Ansicht der Kommission eine diskriminierende Maßnahme darstellt. Hoffnung auf eine Ausweitung des Klein-LKW-Katalogs kommt auf.

Die Experten des Fachsenats gehen mit ihrer Analyse noch einen Schritt weiter und wollen auch die zusätzliche Vorsteuerbeschneidung beim verpönten häuslichen Arbeitszimmer (hinsichtlich der

Raumkosten und der Einrichtungsinvestitionen) sowie bei den ertragsteuerlich nicht absetzbaren Bewirtungsspesen in Frage stellen. Auch hier lautet das einhellige Urteil auf "europarechtswidrig".

Nur fiktiver Eigenverbrauch

Schwere Bedenken erhebt der Fachsenat weiters gegen die heimische "Eigenverbrauchsbesteuerung" jener Lieferungen und Leistungen, die ein österreichisches Unternehmen im EU-Ausland bestellt. Sind

diese Leistungen im Mitgliedsstaat vorsteuerberechtigt, in Österreich aber vorsteuerverboten, so erhebt der hiesige Fiskus beim Inlandseintritt normale Umsatzsteuer.

Der dabei verwendete Deckbegriff einer "Eigenverbrauchsbesteuerung" ist freilich Fiktion; vielmehr soll der ausländische Vorsteuervorteil "aus Wettbewerbsgründen" durch die nachfolgende inländische

Besteuerung ausgeglichen werden.

Das Problem hat sich jüngst an einem im EU-Ausland geleasten Firmen-PKW entzündet. Wäre das Fahrzeug im Heimatland des Unternehmers geleast worden, wäre ihm aus gesetzlichen Gründen der

Vorsteuerabzug versagt geblieben. Durch das Leasing in einem anderen Mitgliedsstaat konnte sich der Unternehmer die dort bezahlte Vorsteuer refundieren lassen. (Die "Wiener Zeitung" hat über

den Fall berichtet).

Der Leasing-Fall hat europaweit Aufsehen erregt, vor allem in Belgien, wo ähnliche Vorsteuerdivergenzen wie in Österreich gegeben sind und wo der klagende Unternehmer recht bekam.

Ausweichen ins EU-Ausland?

Die daraufhin auch in Ästerreich beflügelte Diskussion um die Zulässigkeit der Eigenverbrauchsbesteuerung fand sogar bei einem Richter des Verwaltungsgerichtshofes Sympathie, die soweit ging, daß

der Jurist die fiktive Ersatzbesteuerung generell in Frage stellte. Ein heimischer Unternehmer könne sich durch Verlagerung von Kfz-Leasing, Wartung und Reparaturen ins EU-Ausland tatsächlich die

inländische Umsatzsteuer ersparen, hieß es.

"Der Fachsenat für Steuerrecht hält die Eigenverbrauchsbesteuerung von im Ausland (mit Vorsteuerabzug) geleasten betrieblich genutzten PKW und Kombi für europarechtswidrig", bekräftigt die Expertise

der Steuerleute.

Eine gemeinsame EU-Richtlinie

Im Finanzministerium sieht man es naturgemäß anders und klammert sich an die Definition des umsatzsteuerlichen Unternehmensbereiches. Diese Definition - die zu einem Ausgrenzen der PKW und Kombi

und damit des Vorsteuerrechts aller diese betreffenden Kosten führt - widerspreche nicht den Umsatzsteuerleitlinien der Gemeinschaft. Daher sei auch die Eigenverbrauchsbesteuerung zu rechtfertigen,

heißt es bei der Finanz.

Zu diesem Punkt erwartet der Fiskus zusätzliche Rückenstärkung aus Brüssel. Bis zur Jahresmitte soll dort ein gemeinschaftlicher Richtlinienvorschlag vorliegen, der das Umgehen des

Vorsteuerausschlusses durch Verlagerung von Leistungen in andere Mitgliedsstaaten von vornherein verhindern soll. Womit die Rechtsmeinung des Fachsenats offenbar aufs tote Geleise geschickt wird.

KU 1 ist nicht EU-rechtswidrig

Auch eine andere Demarche vor der obersten Entscheidungsinstanz der Gemeinschaft hat den Initiatoren wenig Befriedigung gebracht. Die von der Handelskette Spar thematisierte Rechtssache

"Kammerumlage" hat den Europäischen Gerichtshof nicht zu einer unternehmerfreundlichen Entscheidung bewegen können.

Der Streitfall betraf die von den Wirtschaftskammern eingeführte neue Form der "Kammerumlage 1", die sich von den unternehmerischen Vorsteuern ableitet und daher von den Händlern als eine Art

verdeckte - und damit EU-unzulässige - Umsatzsteuer empfunden wurde.

Kein unerlaubtes USt-Surrogat!, befand der Europäische Gerichtshof jetzt; die Kammerumlage verstoße nicht gegen das Gemeinschaftsrecht.

Hunderte Berufungswerber, die sich im Vertrauen auf die Kompetenz der Handelskette dem Streitverfahren angeschlossen hatten, müssen ihre vorsorglichen Einsprüche jetzt leider in den Kamin schreiben.