Genua/Wien - Die heftigen Auseinandersetzungen rund um den Polizeieinsatz beim G-8-Gipfel von Genua finden in Italien kein Ende. Während Premierminister Berlusconi Montag in einem Interview mit der Zeitung "la Repubblica" sich erneut hinter die Polizei stellte und der italienischen Linken vorwarf, mit ihren Attacken auf die Polizei dem Image des Landes zu schaden, verurteilten drei Bischöfe die Polizeigewalt in Genua und der von Berlusconis Forza Italia unterstützte Präsident der Region Ligurien, Sandro Biasotti, sprach von einem "kolossalen Irrtum", den die Polizei beim Sturm auf das Hauptquartier der friedlichen Globalisierungsgegner gemacht habe.
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Berlusconi sagte, man werde jene Polizisten bestrafen, die für unannehmbare Gewalttätigkeiten verantwortlich sind. Man kann aber nicht die Plünderer und Randalierer verteidigen, die Carabinieri und Polizei angegriffen, Steine und Molotow-Cocktails geworfen, Geschäfte verwüstet und Supermärkte geplündert haben.
Zum Vorwurf, die Polizei habe nur eine minimale Zahl der rund 5.000 gewalttätigen Demonstranten des Black Blocks festgenommen, die an den Krawallen in Genua teilgenommen hätten, meinte Berlusconi: "Es ist nicht leicht, 5.000 Personen zu identifizieren, die unter einer Masse von sogenannten Pazifisten untergeschlüpft sind, die ihre Präsenz nicht angezeigt haben und nichts getan haben, um ihre Ausweisung aus Italien zu ermöglichen".
Der Regionalpräsident Liguriens, Biasotti, forderte die Regierung auf, alles so schnell wie möglich aufzuklären und die Schuldigen zu bestrafen. Er meinte, man könne nicht leugnen, dass es Gewaltexzesse gegeben habe, warf aber auch den Sprechern der friedlichen Globalisierungsgegner vor, gewalttätige Demonstranten gedeckt zu haben.
Drei italienische Bischöfe haben gemeinsam mit Theologieprofessoren, Pfarrern, Ordensleuten und kirchlichen Gruppen die Gewaltanwendung der Polizei beim Gipfeltreffen in Genua scharf kritisiert. In einem Montag veröffentlichten Aufruf hieß es, in Genua seien Grausamkeiten geschehen, wie sie in Italien seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zu beobachten gewesen seien. Weiter erklärten die Unterzeichner: "Die Kirche und die Christen können nicht schweigen, wenn die Menschenwürde von wem auch immer mit Füßen getreten wird".
Debatte auch in Österreich
Der Europasprecher und EU-Abgeordnete der Grünen, Johannes Voggenhuber, besuchte Montag die Aktivisten der österreichischen Theatergruppe "VolxTheaterKarawane", die sich seit einer Wochen in den Strafanstalten der norditalienischen Städte Alessandria und Voghera festgehalten werden. Er will während seines Aufenthalts auch Kontakt mit diplomatischen Vertretern anderer Länder aufnehmen, die erfolgreicher als Österreich dafür eingetreten sind, ihre Bürger zu verteidigen", betonte Voggenhuber, der dem Außenministerium vorwarf, es nicht einmal die Mühe wert gefunden zu haben, zu klären, ob die Aktivisten Opfer von Menschenrechtsverletzungen seien.
Den Globalisierungsgegnern, die an den Anti-G-8-Demonstrationen teilgenommen hatten, werden Vandalismus, Plünderung sowie Verbindungen zur Anarchistengruppe "Schwarzer Block" vorgeworfen.
Mitglieder der VolxTheaterKarawane forderten Montag in Wien die sofortige Freilassung der in Genua noch immer im Gefängnis sitzenden Aktivisten, deren zahl sie mit 25 angaben. Heftige Kritik übten sie an Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die mit ihren Aussagen dazu beitrage, die Inhaftierten vorzuverurteilen und zu kriminalisieren." Organisatorin Hebein ortete eine "mögliche Retourkutsche" von Ferrero-Waldner für regierungskritischen Demonstrationen der Aktivisten.
Das Außenministerium wies die Vorwürfe zurück und betonte in einer Presseaussendung, dass die verhafteten Österreicher wiederholt von österreichischen Diplomaten besucht worden seien. Das Generalkonsulat in Mailand unterstütze derzeit vor allem die Häftlinge bei der Herstellung von Kontakten mit den Angehörigen und bei der Organisation von Haftbesuchen. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner habe von ihrem italienischen Amtskollegen Ruggiero bei dessen Besuch am Freitag der Vorwoche in Wien die volle und unverzügliche Aufklärung der Vorwürfe im Zusammenhang mit den vorgebrachten Polizeiübergriffen im Polizeigefängnis und umgehende Information darüber gefordert.