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Weiter Rätsel um Tod Gaddafis

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Arzt in Misrata spricht von Schüssen aus nächster Nähe in Kopf und Bauch.


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Tripolis. Die Autopsie der Leiche von Muammar Gaddafi im Krankenhaus von Misrata hat nach den Angaben des untersuchenden Arztes ergeben, dass der Diktator durch Schüsse in Kopf und Bauch, die aus nächster Nähe abgegeben wurden, starb. Rund um den Tod Gaddafis herrschen aber weiterhin viele Unklarheiten.

Ein weiteres Video zeigt die letzten Augenblicke in Gaddafis Leben, auf den Knien, eine Pistole an seiner Schläfe. Einige Momente später wischt er sich mit der linken Hand Blut aus dem Gesicht. Kurz darauf wird er von mehreren Männern auf einen Pritschenwagen geladen.

Gaddafis Flucht aus Sirte, wo er sich seit August aufgehalten hatte, begann nach den schweren Bombardements, denen die Stadt am Dienstag und Mittwoch ausgesetzt war, am frühen Morgen des Donnerstags. Gegen sieben Uhr brach ein großer Konvoi - die Rede ist von 75 bis 100 Fahrzeugen - in Sirte auf. Gegen 8.30 Uhr wurde der Konvoi von Nato-Flugzeugen in der Nähe von Sirte entdeckt und beschossen, woraufhin sich die Wagenkolonnen aufteilten. Eine Gruppe von 20 Fahrzeugen fuhr mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden und wurde von den Nato-Flugzeugen angegriffen, die etwa 10 Fahrzeuge zerstörten. Am Freitag hieß es in einer Nato-Mitteilung, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst habe, dass sich Gaddafi in dem Konvoi befand.

Nach Bombardementin Kanalrohr versteckt

Der bei dem Bombardement verwundete Gaddafi soll sich dann vor den Angreifern in einem Kanalrohr versteckt haben, wo er schließlich von den inzwischen eingetroffenen Rebellen aufgestöbert wurde. Was dann genau geschah, ist Gegenstand vieler Spekulationen. Der arabische TV-Sender Al-Jazeera berichtete am Freitag, dass die Kugeln auf Gaddafi von einem seiner Leibwächter abgefeuert worden seien.

Am Donnerstag hatte ein junger Milizionär namens Mohammed al-Bibi, der sich mit der erbeuteten goldenen Pistole Gaddafis abbilden ließ, behauptet, er habe den Diktator festgenommen und erschossen. Diese Version wird aber bezweifelt. Am Freitag wurde vermutet, dass der Mann Gaddafis Sohn Motassim und seinen Militärchef Abu Bakr Yunus Jabr erschossen habe.

Spekulationen um Todund Beisetzung Gaddafis

Libyens Ministerpräsident Mahmud Jibril hatte am Donnerstag erklärt, Gaddafi sei von den Milizen in Sirte festgenommen worden und auf einem Pritschenwagen an der Küste entlang Richtung Misrata geführt worden. Auf dem Weg hätten Anhänger Gaddafis den Transport aber beschossen und Gaddafi sei dabei so schwer verletzt worden, das er kurz vor dem Eintreffen im Spital von Misrata verblutet sei.

Diese Version wird jedoch durch die bisher bekannt gewordenen Videos erschüttert, auf denen Gaddafi nach seiner Festnahme in Sirte im blutgetränkten Hemd zu sehen ist - wankend, aber auf eigenen Beinen. Er scheint auch zu sprechen und bewegt eine Hand.

Spekulationen gab es auch über die Beisetzung des getöteten Diktators. Die Leiche befinde sich in einem Kühlhaus im Zentrum des alten Marktes von Misurata, hieß es. Nach islamischem Ritus müsste sie binnen 24 Stunden bestattet werden, doch dürfte es in diesem Fall zu Verzögerungen kommen und der Beisetzungsort soll geheim bleiben. Es gebe aber bereits Kontakte zwischen den Rebellen und Mitgliedern des Qaddafia-Clans, um dieses Problem zu lösen.

Entgegen Meldungen vom Donnerstagabend, nach denen auch Gaddafis zweitältester Sohn Saif al-Islam, der längere Zeit in Wien gelebt hat, ums Leben gekommen sei, berichtete am Freitagnachmittag der Nachrichtensender Al-Arabiya, dass der verletzte Saif al-Islam in Slitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis festgenommen worden sei.

Auch der bereits gemeldete Tod von Gaddafis Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi konnte nicht bestätigt werden. Gegen ihn bleibt der internationale Haftbefehl aufrecht, erklärte Cuno Tarfusser, Richter am Internationalen Gerichtshof von Den Haag.

Witwe Gaddafis fordert Untersuchung der UNO

Die Witwe Gaddafis, Safia Farkash, die sich seit August im Exil in Algerien befindet, forderte die UNO auf, den Tod ihres Mannes und ihres Sohnes Motassim zu untersuchen. Sie bezeichnete die beiden in einem Interview mit einer syrischen TV-Station als Märtyrer.

Ihre Tochter Aisha, die mit ihr aus Libyen geflohen ist, musste in ein Spital eingeliefert werden, nachdem sie im Fernsehen die Bilder ihres toten Vaters gesehen hatte.