Experten-Lob für Fortschritte bei Konsolidierung, US-Probleme im Fokus.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Washington/Tokio/Brüssel. Auch Ökonomen wissen mittlerweile, wie unvermeidliche Notwendigkeiten pädagogisch richtig vermittelt werden. Deshalb folgt im "Fiscal Monitor October 2012", herausgegeben vom Internationalen Währungsfonds (IWF), auch auf jede gute Nachricht ein eindringlicher Appell an die entwickelten Industriestaaten, bei der Konsolidierung ihrer überschuldeten Haushalte nicht nachzulassen. Schließlich könne, so die IWF-Autoren in ihrem Bericht zur finanzpolitischen Entwicklung, ein Katastrophenszenario für die Weltwirtschaft im Allgemeinen und die Eurozone im Besonderen nicht ausgeschlossen werden. "Political angst" gehe um, bringt es - englisch-prägnant - ein Brüsseler Journalist auf den Punkt.
Die Lage der internationalen Wirtschaft stellt sich aus IWF-Sicht in aller Kürze wie folgt dar:
Der Abbau der öffentlichen Schulden macht in den meisten der in dem Bericht näher analysierten Staaten Fortschritte, die Haushaltsdefizite sinken - und zwar am stärksten in Industriestaaten, die von der Krise am härtesten getroffen wurden, in einem geringeren Ausmaß auch in den sich entwickelnden Ökonomien.
Anstrengungen, das Gesamtausmaß der Schuldenstände zu reduzieren, sind eine langfristige Angelegenheit. Mitunter wird es noch Jahre dauern, um hier das Niveau der Vor-Krisen-Jahre zu erreichen.
Je größer der Konsolidierungsbedarf, desto stärker haben einzelne Länder auf Sparmaßnahmen zurückgegriffen, die langfristig das Wachstum belasten, etwa Steuererhöhungen auf breiter Ebene oder die massive Reduktion von Investitionen. Stattdessen empfehlen die Studienautoren die Umsetzung von Sozialreformen und die Erhöhung von Vermögenssteuern.
Warnung vor der "Mutter aller ,fiscal cliffs‘" in USA
Trotz der Teilerfolge im Kampf gegen die Eurokrise geben die Experten keine Entwarnung im Hinblick auf die prekäre Lage der Weltkonjunktur (siehe Grafik). Vor allem für die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in den USA, wo am 6. November ein neuer Präsident gewählt wird, und in Europa bedeutet das nichts Gutes. Dennoch empfiehlt der IWF, den Konsolidierungskurs fortzusetzen, allerdings flexibel angepasst an die jeweiligen Rahmenbedingungen und abhängig vom Ausmaß der fiskalischen Ungleichgewichte, dem Druck der Finanzmärkte sowie dem Gesamtzustand der Wirtschaft.
Neben der Eurozone bereitet den Autoren die politische Blockade in der US-Hauptstadt Sorge. Gelingt es Demokraten und Republikanern nicht, sich auf einen Kompromiss zur Reduktion des ausufernden Budgetdefizits zu einigen, treten im Jänner automatisch drakonische Kürzungen bei Sozialausgaben sowie Steuererhöhungen ein; diese Maßnahmen könnten, so die Schätzungen des IWF, die US-Wirtschaftsleistung um 4 Prozent drücken. Das wäre dann, in den Worten von Carlo Cottarelli, Direktor für finanzpolitische Angelegenheiten beim IWF, die "Mutter aller "fiscal cliffs" - "zu groß für die USA und für die Weltwirtschaft". Neben den USA ermahnen die Autoren auch Japan, endlich eine Strategie zu entwickeln, wie mittelfristig gesunde Staatsfinanzen erreicht werden können.
Den größten Handlungsbedarf in Europa haben - neben den notorischen Krisenstaaten Griechenland, Spanien, Portugal und Italien - Frankreich, Großbritannien und die Niederlande.