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"Weiter so" geht nicht länger

Von Walter Hämmerle

Politik

Wissenschafter präsentieren Ideen für Föderalismus-Neu - aber Skepsis bleibt.


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Wien. Die Probleme des österreichischen Föderalismus sind bestens erforscht: ein heilloser Kompetenzwirrwarr gepaart mit administrativen Doppelgleisigkeiten und gestützt von einem politischen System, das Misstrauen zur obersten Maxime im Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erhoben hat. Dieses Potpourri hat dazu geführt, dass heute niemand weiß, wie viel Geld bestimmte Leistungen tatsächlich kosten. Eigentlich ein untragbarer Zustand, der nur dadurch erträglich wird, dass es schon immer so war. Und deshalb sind, wie etwa Rechnungshof-Präsident Josef Moser nicht müde wird aufzuzeigen, 19 Finanzströme notwendig, damit einige hundert Euro Pflegegeld ihren Weg vom Finanzministerium ins Portemonnaie des Bürgers finden. Neunzehn!

Wie weiter?

Dass mit diesen Strukturen, deren Grundlagen aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammen, kein "Föderalismus im 21. Jahrhundert" - so der Titel einer Diskussion am Freitag im Parlament - zu machen ist, darüber waren sich alle Redner einig. Man ist am Ende einer langen Straße angekommen. Die Reformdiskussion geht ins dritte Jahrzehnt.

Wie also weiter? Mit einem rundum erneuerten Föderalismus, antworten die Veranstalter der Debatte, Peter Bußjäger vom "Institut für Föderalismus" und Stefan August Lütgenau von "Foster Europe" gemeinsam mit dem Innsbrucker Finanzwissenschafter Erich Thöni. Etwa durch eine Bereinigung der Behördenvielfalt bei der unmittelbaren Bundesverwaltung: Wildbachverbauung, Bundessozial- und Eichämter oder die Arbeitsinspektorate könnten problemlos den Ländern zugeschlagen werden - die Finanzmittel natürlich inklusive.

Kosten wandern nach unten

Darüber hinaus beklagt Thöni die schleichende Kostenverlagerung vom Bund zu den Ländern und Gemeinden. Besonders drastisch wirke sich dies bei Kinderbetreuung, Schulen, Pflege und Gesundheit aus, und selbst die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen werde noch den schwächsten, also den Kommunen, umgehängt. Thöni bemängelt die budgettechnischen Probleme, die mit der Ausweitung der Privatwirtschaftsverwaltung (die öffentliche Hand als Unternehmer) einhergehen. Hier wisse man erst im Nachhinein, welche Kosten tatsächlich entstehen - aus dem Blickwinkel des öffentlichen Haushaltsrechts ein untragbarer Zustand.

Überhaupt die Finanzen! Ohne Finanzautonomie kein Föderalismus, sagen die Befürworter starker Länder. Ja, aber nur wenn Transparenz sichergestellt sei, kontern Skeptiker wie Moser, Grünen-Budgetexperte Bruno Rossmann und SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Und wie schwierig es ist, neun Länder auf einheitliche Haushaltsregeln zu verpflichten, zeigt das Gezerre um die Umsetzung des Spekulationsverbots.

Wie also weiter? "Mit kleinen Schritten das Machbare umsetzen", fordert Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol. Die Grundregeln im Verhältnis von Bund und Ländern ließen sich nun einmal nicht verändern, statt von einer Neuordnung des Finanzausgleichs zu träumen, solle man daher lieber auf den Kompromissen des Österreich-Konvents bei der Kompetenzaufteilung aufbauen. und auch eine Reform des Bundesrats - unter Einbeziehung der Landeshauptleute-Konferenz - hält er für möglich.

Dagegen ist für den Grünen Rossmann die Überwindung der Vertrauenskrise zwischen Bund und Ländern Voraussetzung dafür, die seit Jahrzehnten einbetonierten Strukturen aufzubrechen. Dann, so Rossmann, könne auch ein "solidarischer Wettbewerbsföderalismus" mit einer beschränkten Steuerautonomie für die Länder, wie ihn Thöni und Bußjäger ebenfalls befürworten, positive Folgen entfalten.

Wahrer Druck von außen

Skeptisch äußerte sich dagegen Matznetter. Die Debatte in Europa drehe sich derzeit um die Abgabe von Kompetenzen nach oben, vor allem in Finanzfragen erhalte Brüssel zunehmend das letzte Wort. Auch einem Steuerwettbewerb kann der SPÖ-Politiker nichts abgewinnen - und verweist auf einen "30-jährigen europäischen Feldversuch", bei dem jetzt einzelne Staaten als Pleitekandidaten dastünden. Stattdessen sieht er den größten Vorteil des Föderalismus als Garanten für eine politische und soziale Machtbalance, der radikalen Veränderungen entgegenstehe.

Entsprechend kann Matznetter auch nicht den verhaltenen Optimismus von Andreas Khol teilen, zumal der wirkliche Reformdruck von außerhalb Österreichs, von den internationalen Finanzmärkten komme. Dem konnte Moser mit Verweis auf die Tatsache, dass die tatsächlichen Schuldverpflichtungen von Ländern und Gemeinden unbekannt sind, nur beipflichten: "Wenn wir jetzt nicht handeln, bekommen wir ernsthafte Probleme."