Tests haben wenig Aussagekraft über spätere schulische Laufbahn. | Materielle Anreize führen zu besserem Abschneiden. | Marne/Holstein. Bis heute ist es nicht gelungen, Intelligenztests zu konzipieren, die sich gegenüber sämtlichen Kulturkreisen, gesellschaftlichen Klassen und individuellen Bildungsvoraussetzungen völlig neutral verhalten. Und nach wie vor ist umstritten, was Intelligenztests überhaupt messen und was die Messergebnisse über diejenigen aussagen, die einen hinter sich gebracht haben.
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Ein weiterer Umstand kommt hinzu: Häufig wird unterstellt, dass alle, die an einem Intelligenztest teilnehmen, sich mächtig ins Zeug legen würden, weil sie ohnehin hochmotiviert wären. Doch wie fragwürdig diese Annahme ist, hat jetzt die US-Psychologin Angela Duckworth von der Universität von Pennsylvania herausgearbeitet. Die Wissenschafterin berichtet über ihre Erkenntnisse in der jüngsten Ausgabe des Forschungsjournals "Proceedings of the National Academy of Sciences".
Duckworth und ihr Team haben zunächst eine Reihe älterer empirischer Untersuchungen, die sich mit den Auswirkungen materieller Anreize auf das Abschneiden bei Intelligenztests befassen, einer Metaanalyse unterzogen. Insgesamt wurden die Daten von 2008 Testpersonen ausgewertet, die für gute Leistungen Belohnungen zwischen einem und zehn Dollar erhalten hatten. Es ergab sich ein eindeutiger Befund: Die Verteilung von Geldgeschenken ließ tatsächlich die Intelligenzquotienten im Durchschnitt um nicht weniger als zehn Punkte steigen. Auch zeigte sich, dass die Intelligenzquotienten desto mehr stiegen, je höher die Belohnung war - und dass die Belohnungen bei jenen die größte Leistungssteigerung hervorriefen, die bei IQ-Tests sonst am wenigsten zustande brachten.
Anschließend beschäftigten sich die Forscher mit Daten einer Langzeituntersuchung, mit der man Ende der Achtzigerjahre begonnen hatte. Damals hatten etwa 500 Jungen aus Pittsburgh im Durchschnittsalter von zwölfeinhalb Jahren an einem Intelligenztest teilgenommen. Während ihre Köpfe rauchten, wurden die jugendlichen Probanden mit einer Videokamera gefilmt. So sollte dokumentiert werden, wie konzentriert und engagiert jeder Einzelne bei der Sache war.
Danach machte sich Duckworth daran, die Lebenswege von 251 der 500 Jungen zu verfolgen. Darüber hinaus legte sie die Videoaufnahmen drei Psychologen vor, die anhand bestimmter Indizien - wie Gähnen oder die Augen immer wieder schweifen zu lassen - den Grad der Motivation der Getesteten beurteilen sollten.
Längst nicht jeder, der am Test teilnimmt, meint Duckworth, widmet ihm die ganze Aufmerksamkeit. Das gelte vor allem für etliche Ghetto-Kids. Schon nach einer oder zwei Fragen ließen sie den Kopf hängen und legten den Bleistift beiseite. Offensichtlich dachten sie gar nicht daran, sich auch nur die geringste Mühe zu geben.
Prognosen unmöglich
Duckworth und ihr Team sind zu einem überraschenden Resultat gelangt. Die in den Tests gemessene Intelligenz erlaubt es zwar, die späteren schulischen Leistungen einigermaßen genau vorherzusagen. Mehr aber auch nicht. Wenn es darum geht zu prognostizieren, wer welchen Schulabschluss erreichen und wer welche berufliche Laufbahn einschlagen wird, dann sind nicht die Leistungen bei Tests am aussagekräftigsten, sondern es sind die jeweilige Stärke der Motivation der Absolventen sowie ihre Selbstdisziplin und ihr Durchhaltevermögen.