Noch ist es Kiew nicht geglückt, sich aus dem Würgegriff der Oligarchen zu befreien.
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Wie immer das Votum in der Ukraine am Sonntag ausgehen wird - eines dürfte klar sein: Die Parlamentswahl 2014 wird sich von den Urnengängen seit der Unabhängigkeit 1991 komplett unterscheiden. Der Aufstand auf dem Maidan, vor allem aber der Konflikt mit Russland im Zuge der Kämpfe in der Ostukraine hat das gespaltene Land verändert. Hatten sich bei sämtlichen Wahlen seit 1991 die Stimmenanzahl des proeuropäischen und des russophilen Lagers stets die Waage gehalten, so hat schon die Präsidentenwahl im Mai gezeigt, dass das ukrainische Staatsschiff nunmehr auf klarem Westkurs segelt. Durch die Angliederung der Krim an Russland und die Abspaltung von Teilen der Ostukraine scheint es Russlands Präsident Wladimir Putin - zu seinem eigenen Nachteil - gelungen zu sein, den traditionellen Ost-West-Schlingerkurs der Ukraine zu beenden.
Ob diese Umorientierung eine dauerhafte ist, muss sich noch zeigen. Nach der Orangen Revolution 2004 fiel die Ukraine sofort wieder in die lähmenden Rivalitäten ihrer oligarchischen Clans zurück. Und auch im Vorfeld der jetzigen Wahl tauchten wieder die üblichen Grafiken auf, wer wen finanziert, welcher Financier hinter welcher politischen Gruppierung steht. Während Präsident Petro Poroschenko und Ex-Premierministerin Julia Timoschenko ihre Parteien selbst sponsern, soll etwa ausgerechnet Serhij Lowotschkin, der Präsidialamtschef von Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch, gemeinsam mit dem Oligarchen Dmytro Firtsch die Partei des ukrainisch-nationalen Oleh Ljaschko unterstützen. Und Ihor Kolomojski, Oligarch und Gouverneur von Dnipropetrowsk, soll trotz seiner jüdischen Herkunft den rechtsextremen Rechten Sektor ebenso sponsern wie eine Partei aus dem prorussischen Lager. "Eier in verschiedene Nester legen" nennt man das in Kiew.
Auch die Korruption bleibt ein Thema. Präsident Poroschenko hat erst jüngst eine Wutrede gegen dieses grassierende Übel gehalten. Und die ukrainischen Religionsführer warnten die Wähler vor der Wahl davor, ihre Stimme "für Geld oder andere materielle Dinge" zu verkaufen. Der Weg nach Westen ist noch weit.