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Weiter Weg zum Nullenergie-Bau

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Bundesimmobiliengesellschaft führend bei energiesparenden Bauherren. | Private Bauherren nutzen Objekte meistens selbst. | Wien. Rund 30 Prozent des Energieverbrauchs in Österreich entfallen auf Gebäude - ein beachtliches Einsparpotenzial. Thermische Sanierung bestehender Gebäude ist die eine Seite, ungleich mehr Möglichkeiten bietet aber die Technik im Neubau. Fritz Unterpertinger, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB), übt aber Kritik: "Bei Großprojekten errichtet ein Investor den Bau, verkauft an diverse Vermieter, und zuletzt kommen die Mieter. Die Trennung von Bauherr und Nutzer fördert kein energieeffizientes Bauen. Dabei ist Österreich in der Theorie sehr weit, Baustoffe und Technik stehen voll zur Verfügung."


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Das bestätigt Karin Stieldorf, Architekturprofessorin an der TU Wien. "Wir haben bereits zwei Zentimeter dünne Vakuum-Elemente mit der zehnfachen Wirkung einer herkömmlichen Wärmedämmung", sagt sie. Konventionell seien 30 bis 40 Zentimeter optimal, noch dickere Wände bringen nicht mehr viel, meint Stieldorf, "dafür muss man aber an allen Schrauben der Gebäudetechnik drehen."

Viel öffentliche Hilfe bei Passiv-Haus-Siedlung

In Österreich geht die öffentliche Hand mit gutem Beispiel voran, zum Beispiel die Stadt Wien: Das Projekt "Eurogate" im 3. Bezirk in Wien, mit 1800 Wohnungen in Passivhaus-Bauweise, sei "die größte Passiv-Haus-Siedlung Europas", vermerkt das Rathaus stolz. Silvia Hofer, Gruppenleiterin der Projektentwicklung im Wohnfonds Wien, zählt die Energiesparfaktoren auf: Anordnung der Bauten, der Loggien und Balkone so, dass im Sommer bei hohem Sonnenstand viel Schatten entsteht und im Winter bei niedrigem Sonnenstand viel Sonneneinstrahlung genutzt wird, Dämmung an Außenwänden und Dächern von 30 bis 40 Zentimetern, Ausschalten von Kältebrücken. Die Luft wird im Winter über Fernwärme geheizt und im Sommer über Erdkollektoren gekühlt. Bei offenem Fenster schaltet sich die Belüftung automatisch aus. Ein Blick auf die Kalkulation zeigt jedoch viel öffentliche Hilfe: Von den 103 Millionen Euro Gesamtbaukosten kommen 36 Millionen von der Wohnbauförderung und weitere 3,8 Millionen von der Passivhausförderung der Stadt Wien.

In Österreich sind bisher 8000 Wohnungen im Passivhaus-Standard errichtet worden, weitere 5000 sind in Bau, schätzt die Österreichische Energieagentur. Bei Wohnbauten gilt ein Primärenergiebedarf von rund 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2/J) als Standard, bei Bürobauten ist das Zehnfache immer noch gut: Viele Menschen müssen auf engem Raum mit guter Luft, Wärme und Wasser versorgt werden, Computer und Lifte laufen. Das alles wird die Arbeitsplatzdichte eines Gebäudes genannt.

In Österreich führt die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) die Reihe energiesparender Bauherren an, etwa mit dem Haus der Forschung in Wien. Unter anderem lässt eine Membran an der Gebäudehülle gerade so viele Sonnenstrahlen durch, wie das Gebäude verkraften kann. 100 kWh/m 2 /Jahr an Primärenergie ist der halbe Energieeinsatz vergleichbarer konventioneller Neubauten.

Energiesparende Firmenzentralen

Der Uni Park Nonntal in Salzburg verfügt über eine der größten Geothermie-Anlagen Europas. Mit einem Wasser-Glykol-Gemisch gefüllte Sonden werden 200 Meter tief in den Boden getrieben. Der Temperaturunterschied zur Erdoberfläche bringt die im Boden gespeicherte Energie im Sommer zum Kühlen und im Winter zum Heizen. Dazu kommen Fernwärme, Wärmepumpen und Belüftung mit Wärmerückgewinnung. Auch das Produktionstechnikzentrum an der TU Graz nutzt Erdwärme kombiniert mit Wärmepumpen. Wärme und Kälte werden über ein Flächenheiz- und Kühlsystem in den Räumen verteilt.

Wenn private Bauherren tief in die Tasche greifen, um energieeffizient zu bauen, dann nutzen sie die Objekte meist selbst. Für Siemens ist die neue Siemens City in Wien nicht nur eine Energiekosten sparende Firmenzentrale, sondern auch Referenzanlage für die umfassende Gebäudetechnik, die der Konzern anbietet, bis hin zum Betrieb.

Der Technologiekonzern bietet eine Fassade mit Dämmeffekt auf, dazu Erdwärme, geheizte oder gekühlte Wände und Decken, gespeicherte kühle Nachtluft erspart eine herkömmliche Klimaanlage. Warme Abluft der Büros wird zum Erwärmen der Frischluft genutzt. Solaranlagen auf dem Dach erzeugen Warmwasser. Automatisch gesteuerte Lamellen der Außenjalousien bieten optimalen Lichteinfall und steuern die Innenbeleuchtung. Die erlischt automatisch, wenn der Letzte das Büro verlässt. 10.000 Sensoren steuern diese Systeme.

Einer der Erfolge, die Siemens einfahren konnte, ist die neue "klimaneutrale" Firmenzentrale des Sportartikelherstellers Puma in Herzogenaurach. Das Nürnberger Institut für Energie und Gebäude bescheinigt dem Bau einen Primärenergiebedarf von knapp 180 kWh/m 2 /Jahr, das liegt 40 Prozent unter den Mindestanforderungen. Wärmepumpen temperieren die Betonteile, geheizt wird mit Fernwärme. Strom kommt von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und von einem Ökostrom-Erzeuger, Gas von der Deponie. Weil zusätzlich Erdgas bezogen werden muss, weil nicht jede Kilowattstunde ganz CO2-neutral sein kann, hat sich die Firma zum Ausgleich an einer Windkraftanlage in der Türkei beteiligt. So wird die Puma-Zentrale "klimaneutral".