Wettbewerbsbehörde: genügend Beweise für weitere Produktgruppen, auch andere Lebensmittelhändler im Visier.
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Wien. In keiner anderen Branche waren die Kartellwächter in den vergangenen Jahren so aktiv wie im Lebensmitteleinzelhandel. Zahlreiche Händler und Lieferanten mussten wegen Absprachen Strafe zahlen. Einzig der Salzburger Einzelhändler Spar ließ sich auf ein Gerichtsverfahren ein und wollte die Vorwürfe der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) entkräften. Der Fall liegt nun beim Obersten Gerichtshof (OGH) als Kartellobergericht, weil Spar gegen das Urteil des Kartellgerichtes - drei Millionen Euro Strafe wegen Absprachen mit Lieferanten zu Preisen für Molkereiprodukte - Rekurs erhoben hat.
Nun habe die BWB weitere Beweise, sagt ein Sprecher der Behörde: "Wir sind dabei, Bußgeldanträge zu einigen anderen Produktgruppen vorzubereiten." Für den Bußgeldantrag zu vermuteten Absprachen bei 16 weiteren Produktgruppen - darunter etwa Bier - hatte die BWB bisher keine Beweise vorgelegt.
Ob Spar sich im Fall von weiteren Bußgeldanträgen wieder auf Gerichtsverfahren einlassen würde, könne man nicht sagen, meint Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Es sei jedenfalls bisher kein neuer Bußgeldantrag zugestellt worden.
"Es laufen auch Ermittlungen gegen andere Lebensmitteleinzelhändler", sagt der BWB-Sprecher, ohne Details zu nennen. Die Händler Rewe (unter anderem Billa, Merkur), der Vorarlberger Lebensmittelhändler Sutterlüty, an dem Rewe beteiligt ist, der Tiroler Händler Mpreis sowie der Getränkehändler AFS haben Strafzahlungen wegen Preisabsprachen akzeptiert. Ebenso fassten zahlreiche Lieferanten Strafen aus, zuletzt der Mineralwasserproduzent Vöslauer.
Bußgeldantrag gegen Fahrradhersteller KTM
Fündig geworden sind die Kartellwächter auch während der Hausdurchsuchungen beim oberösterreichischen Hersteller KTM Fahrrad GmbH und dessen Tochtergesellschaft BTM Bike Trading GmbH. Die BWB hat beim Kartellgericht einen Bußgeldantrag gegen KTM gestellt, bestätigt der Sprecher des Kartellgerichts.
Der Antrag wurde nach Mattighofen zugestellt, die Frist für eine Äußerung läuft. Die Ermittler hatten die Razzia 2014 durchgeführt, weil sie eine Wettbewerbs-Einschränkung im Onlinehandel mit Fahrrädern vermuteten. Der OGH hatte die Razzia angeordnet. Begründung: "Die Vertriebsrichtlinien von KTM erlauben keinen Verkauf in Innsbruck" auf der Bikestore.cc-Website könne vertretbar und nachvollziehbar der Verdacht einer Marktaufteilung abgeleitet werden.
"Wir machen keine Preisbeschränkung, und es gibt keinen Gebietsschutz", sagt dazu Stefan Limbrunner, Vertriebschef von KTM Fahrrad: "Es gibt laufend Onlineaktionen für KTM-Fahrräder. Und keine Fahrradmarke hat mehr Verkaufsstellen in Österreich."
Buchungsportale beschäftigen Wettbewerbshüter europaweit
Auch im Internethandel mit Unterhaltungs- und Haushaltselektronik haben die Kartellwächter Wettbewerbsverstöße entdeckt. Händler und Lieferanten haben demnach die Preise für Produkte wie Waschmaschinen, Receiver oder Pool- und Teichreinigungsroboter abgestimmt. Bisher wurden gegen fünf Unternehmen insgesamt 2,1 Millionen Euro an Bußgeldern verhängt, davon fasste Media-Saturn 1,23 Millionen aus. Weitere Ermittlungen im Elektronik-Onlinehandel laufen.
Europaweit beschäftigen zudem Buchungsplattformen die Wettbewerbsbehörden. Bestpreisklauseln verpflichten Hotels, dem Portal den günstigsten Zimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die günstigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen im Internet einzuräumen. In Deutschland hat das Oberlandesgericht Düsseldorf HRS zu Jahresbeginn untersagt, die Bestpreisklausel anzuwenden. Laut Bundeskartellamt-Präsident Andreas Mundt ist diese Entscheidung, wonach HRS-Bestpreisklauseln gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstoßen, als Orientierung für europäische Wettbewerbsbehörden zu sehen.
Nach einer Abmahnung durch das Bundeskartellamt hat Booking.com seine Klauseln in Deutschland - wie schon in Frankreich, Italien und Schweden - angepasst. Diese erlauben bessere Angebote auf anderen Buchungsportalen, aber nicht auf der eigenen Hotel-Website. In Österreich gibt es noch keine Entscheidung: Die BWB prüft die von Booking.com vorgeschlagenen Auflagen in einem Markttest.
Mehr Personal für Behörde "budgetär nicht möglich"
Die EU-Kommission hat erneut darauf hingewiesen, dass die BWB zu wenig Personal hat. Die 2002 gegründete Behörde verfügt über 22 Ermittler, mit diesen Ressourcen ist laut BWB eine "angemessene Aufgabenerfüllung derzeit nicht möglich". Laut Wirtschaftsministerium ist ein Aufstocken der 36 Planstellen derzeit "budgetär nicht möglich".