Italiens Premier gibt sich vor Vertrauensvotum optimistisch. | Opposition hält heute Großdemo in Rom ab. | Wien/Rom. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi erhielt am Freitag eine neue Galgenfrist. Das römische Verfassungsgericht hat das für kommenden Dienstag geplante Urteil über das Gesetz, das dem Premier für seine Amtszeit Immunität bei Strafverfahren gewährt, auf Jänner verschoben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Vizepräsident des Verfassungsgerichts, Ugo De Siervo, begründete die Verschiebung mit dem Umstand, dass den Richtern ermöglicht werden soll, ihr Urteil in einem ruhigeren Klima zu fällen. Kommenden Dienstag stehen nämlich auch im Senat und im Abgeordnetenhaus in Rom Abstimmung über Vertrauen beziehungsweise Misstrauen gegen Berlusconi auf dem Programm.
Berlusconi zeigte sich optimistisch, dass er die Misstrauensanträge der Opposition im Abgeordnetenhaus, wo er seit seiner Trennung von Kammerpräsident Gianfranco Fini Ende Juli die Mehrheit verloren hat, unbeschadet überstehen wird. Seine Regierung werde bis zum Ablauf der Legislaturperiode im Jahr 2013 im Amt bleiben.
Nach italienischen Presseberichten soll es Berlusconi gelungen sein, zwei Abgeordnete der Partei Italia dei Valori (IdV -Italien der Werte) von Antonio Di Pietro auf seine Seite zu ziehen. Damit verfüge die von Berlusconis Partei PdL (Popolo della Liberta - Volk der Freiheit) und Lega Nord gestürzte Regierung über 314 von 630 Stimmen im Abgeordnetenhaus. Fünf Abgeordnete, darunter die zwei Vertreter der Südtiroler Volkspartei (SVP), haben ihre Stimmenthaltung angekündigt, der Präsident des Abgeordnetenhauses, Gianfranco Fini, stimmt traditionell nicht ab.
Fußballmarkt um Abgeordnetenstimmen
Fini sprach am Freitag im Zusammenhang mit den Versuchen des Berlusconi-Lagers, oppositionelle Abgeordnete durch Versprechungen auf die Seite der Regierung zu ziehen, von einem "Fußballmarkt". Die katholische Wochenzeitung "Famiglia Cristiana" verwendet in diesem Zusammenhang noch deutlichere Worte und schreibt, dass der derzeitige Zustand schlimmer sei als der unter dem Schlagwort "Tangentopoli" bekanntgewordene Korruptionsskandal Anfang der Neunzigerjahre, der zum Zusammenbruch der damaligen Christdemokratischen Partei und der Sozialistischen Partei geführt hat.
Die 34 Abgeordneten der neuen Fini-Partei FLI haben ihre Absicht bekräftigt, geschlossen gegen die Regierung Berlusconi zu stimmen. Fini ist der Meinung, dass einem Rücktritt Berlusconis nicht zwangsläufig Neuwahlen folgen müssen. Er dementiert auch, dass seine Partei ein Bündnis mit den Linksparteien eingehen wolle.
Die oppositionelle Demokratische Partei (PD), die stärkste Oppositionskraft, hat für Samstag, zu einer Großdemonstration gegen Berlusconi aufgerufen. Zwei Demonstrationszüge werden durch Rom ziehen und zur Piazza San Giovanni vor der Lateranbasilika strömen. 18 Züge und 1500 Busse sollen Demonstranten aus allen italienischen Regionen in die Hauptstadt führen.
Auch die Berlusconi-Partei PdL geht am Samstag in allen italienischen Städten auf die Straße, um ihre Solidarität mit dem umstrittenen Premierminister zu bekunden.