Die umstrittene EU-Chemie-Richtlinie belaste Industriebetriebe nicht so substantiell wie befürchtet, schließt eine neue Studie. Problematisch könne sie jedoch für Klein- und Mittelbetriebe (KMU) sein. Arbeitgeberverbände fordern daher dringend Nachbesserungen. Neuer Zwist droht durch Wünsche des EU-Umweltausschusses.
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Rund 30.000 potentiell gefährliche chemische Substanzen sollen laut dem Vorschlag der EU-Kommission vom Oktober 2003 ab einer Menge von einer Tonne pro Unternehmen und Jahr zentral registriert, bewertet und autorisiert werden. Seit damals läuft die Industrie dagegen Sturm: Die so genannte REACH-Verordnung belaste die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen in einem nicht vertretbaren Ausmaß.
Die gestern in Brüssel vorgestellte Studie der renommierten Wirtschaftsprüfergruppe KPMG wurde von der Industrie finanziert. Sie schließt zwar, dass die Auswirkungen der Richtlinie auf die Wettbewerbsfähigkeit großer Chemiekonzerne "begrenzt" seien. Weiters zeichne sich nicht ab, dass wichtige chemische Grundprodukte vom Markt genommen werden müssten. Klein- und Mittelbetriebe könne REACH jedoch einen "signifikanten Teil ihres Profits" kosten. So könnten die Registrierungskosten bis zu 20 Prozent des Jahresumsatzes betragen. "Ernste Konsequenzen für die europäische Wirtschaft" ortet Philippe de Buck, Generalsekretär des europäischen Arbeitgeberverbandes UNICE.
Zu globalerer Betrachtungsweise rief unterdessen Umweltkommissar Stavros Dimas auf. 2,3 Mrd. Euro koste REACH über elf Jahre, um etwa 50 Mrd. werde das Gesundheitssystem in den nächsten 30 Jahren dafür entlastet.
Aufhorchen ließ der Leiter des Umweltausschusses im Europaparlament mit seinem Vorschlag, die bis zu 800 chemischen Zusatzstoffe in Zigaretten in die Richtlinie aufzunehmen. "Das bedeutet das Aus von mindestens 99 Prozent der heute bekannten Zigaretten", sagte der CDU-Politiker Karl-Heinz Florenz. "Jeder Raucher ist zwar für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Aber nur, wenn er davon ausgehen kann, dass in seiner Zigarette nur Tabak ist". Die "größere Gefahr" sei die beigemengte Chemie.