Bei einigen olympischen Bewerben muss man endlich energisch die Sinnfrage stellen - doch das IOC stockt weiter auf.
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Es ist halt Brasilien und nicht China. Die TV-Regie macht eben das, was sie immer macht und keine Trickserien - und daher bekommt der gemeine TV-Konsument im fernen Europa auch ein recht anschauliches Bild, wie es in den olympischen Sportstätten stimmungsmäßig wirklich zugeht. Das Beachvolleyball-Stadion auf der Copacabana ist erwartungsgemäß ein Tollhaus, bei vielen anderen Wettkampforten braucht sich jedoch niemand Sorgen zu machen, die Athleten würden durch allzu laute Nebengeräusche sportunkundiger Brasilianer vielleicht in ihrer Konzentration gestört.
Beim Bogenschießen etwa konnte man vor der riesigen Stahlrohrtribüne mit gerade einmal einer Handvoll Zuschauern sogar die Pfeile regelrecht durch die Luft schneiden hören, so ruhig war es dort; tote Hose auch am Pferdeparcours, wo sich vereinzelt Interessierte mit Smartphone-Blick die Beine in den Bauch standen. Nicht anders die Kulisse am Mittwochabend beim Tontaubenschießen, offiziell genannt Doppeltrap. Was, Sie wussten nicht, dass das hierzulande von einigen Jagdbegeisterten praktizierte Hobby eine olympische Disziplin ist? Dann willkommen in der olympischen Sommerspiele-Realität des Jahres 2016 mit seinen 306 Medaillenentscheidungen in 28 Sportarten, was natürlich einen historischen Höchststand bedeutet. Natürlich?
Predigen uns die Funktionäre des internationalen olympischen Komitees seit Jahren nicht das Gegenteil, nämlich dass die olympische Zukunft nicht mehr in dem finanziell nicht mehr zu kontrollierenden Gigantismus liegen müsse, sondern in einer Art maßvoller Besinnung auf das Wesentliche? Doch so wie wir diese Botschaft alljährlich zu Weihnachten vernehmen, um dann die stetig steigenden Handelsumsätze zu bejubeln, so verhält es sich auch mit Olympia. Anstatt in vier Jahren in Tokio das Programm zu straffen, auszumisten und sich gesundzuschrumpfen, wird munter weiter erweitert: Gleich fünf zusätzliche Sportarten werden 2020 dabei sein - nämlich Sportklettern, Baseball/Softball, Karate, Skateboard und Wellenreiten.
"Wir wollen den Sport zur Jugend bringen", so begründete IOC-Präsident Thomas Bach die Aufstockung - und hat damit zwar prinzipiell nicht ganz unrecht, zugleich stellt sich die Gretchenfrage, ob jede trendige Sportart zwingend zu olympischen Ehren kommen muss. Und müsste man dann nicht im Gegenzug bei allen Sportarten, die der Zeitgeist auf der Strecke gelassen hat, mit dem Rotstift vorgehen? Etwa beim BMX-Rad, dessen Boom 30 Jahre her ist, aber noch als "jung" genug gilt, um Olympiamedaillen vergeben zu können. Dann muss man aber auch bei vielen seit Jahrzehnten zur Olympia-Nostalgie zählenden Bewerben ansetzen, die schlicht keine Massentauglichkeit mehr haben - angefangen vom modernen Fünfkampf über Schießen, Fechten bis hin zum Ringen.
Seitdem sich das IOC aber bei der versuchten Abschaffung der seit 1896 im Programm stehenden letztgenannten Sportart eine blutige Nase geholt hat, scheint das geplante Streichkonzert bei so manchen Heiligtümern abgesagt. Stattdessen also auf zu neuen Ufern und zusätzlichen Disziplinen: Denn wenn schon Bogenschießen, dann aber auch das boomende Darts! Oder den Häuser/Straßen-Trendsport Parkour. Und wer weiß, ob wir nicht auch bald Gold im Pokémon Go bejubeln werden.