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Vor dem EU-Gipfeltreffen prallen zwei Konzepte aufeinander - Mazedonien rückt in den Fokus der Asyldebatte.
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Prag/Brüssel. Es war mehr als eine Festsitzung. Zwar gab das 25-jährige Jubiläum des Bestehens der Visegrad-Gruppe einen feierlichen Rahmen für das Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien ab. Doch als Beata Szydlo, Viktor Orban und Robert Fico auf Einladung von Premier Bohuslav Sobotka gestern, Montag, nach Prag reisten, war klar, dass sie ebenfalls ein Signal an ihre anderen Amtskollegen aussenden wollten. Mit diesen werden sie am Donnerstag und Freitag in Brüssel zusammenkommen, um neben der Zukunft Großbritanniens in der EU die Flüchtlingskrise zu besprechen.
Das Thema Migration hat Sobotka denn auch auf die Agenda des Prager Vierer-Gipfels gesetzt, an dem außerdem Mazedoniens Präsident Gjorge Iwanow sowie der bulgarische Premier Bojko Borissow teilnahmen. Damit war klar: Es ging einmal mehr um einen Gegenentwurf zu den bisherigen Lösungsansätzen in der Flüchtlingskrise, vor allem zu den deutschen. Den Plänen für einen verpflichtenden Schlüssel zur Verteilung von Asylwerbern wollen die osteuropäischen Staaten nämlich nicht zustimmen.
Druck auf Griechenland
Mit ihrem Widerspruch sind sie übrigens nicht allein. Auch die französische Regierung hat zuletzt betont, nicht mehr Schutzsuchende aufnehmen zu wollen als jene 30.000, deren Versorgung Paris schon zugestimmt hatte. "Wir sind gegen einen dauerhaften Umverteilungsmechanismus", erklärte Premier Manuel Valls.
Genau das stellen auch die osteuropäischen Mitglieder klar. So spricht sich der slowakische Ministerpräsident Fico gegen "Ghettos mit anderen Religionen und Kulturen" aus und wendet sich sein ungarischer Amtskollege Orban gegen eine "Islamisierung" des Kontinents. Nicht fixe Flüchtlingsquoten seien die Lösung, sondern verstärkter Grenzschutz. Und wenn Griechenland dies nicht gewährleisten könne, dann gebe es die Möglichkeit, die "illegale Migration an den Grenzen von Mazedonien und Bulgarien aufzuhalten", meint Tschechiens Premier Sobotka.
Das läuft aber ebenfalls den Überlegungen in Berlin entgegen. Für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nämlich die Sicherung der türkisch-griechischen Grenze ein wesentlicher Punkt. Um die Türkei zur Zusammenarbeit zu bewegen, hat die EU finanzielle und politische Zusagen gemacht. Gleichzeitig übt sie weiterhin Druck auf Griechenland aus, seine Verpflichtungen beim Schutz der Außengrenze der EU zu erfüllen.
Doch noch immer sind die sogenannten Hotspots, die Erstaufnahme-Stellen für Schutzsuchende, nicht einsatzfähig - obwohl der Termin für ihre Einrichtung bereits verstrichen ist. Allerdings heißt es aus Athen, dass vier der fünf geplanten Zentren in den kommenden Tagen ihren Betrieb starten würden. Die Registrierung der Flüchtlinge, unter anderem durch die Abnahme von Fingerabdrücken, ist Voraussetzung für die spätere Umsiedlung der Menschen innerhalb der EU.
Da die Umsetzung dieses Vorhabens aber nicht in Sichtweite ist, wollen die Visegrad-Staaten nun Mazedonien in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Dort, an den Übergängen zu Griechenland, sollen die Kontrollen verstärkt werden. Und obwohl das Land nicht Mitglied der EU ist, soll es an Unterstützung aus der Union nicht mangeln. Die Grenzschutzagentur Frontex darf zwar in einem Nicht-EU-Staat nicht tätig werden, einzelne Länder haben aber die Möglichkeit dazu. Tschechien, Ungarn und die Slowakei etwa haben bereits Polizisten an die mazedonische Grenze geschickt.
Österreichische Zusagen
Weitere Helfer könnten folgen - und zwar aus einem Land, das als Verbündeter Deutschlands gilt. Österreich will die Abriegelung der Übergänge ebenfalls unterstützen, mit der Entsendung von Polizisten und Bereitstellung von Technik. Außenminister Sebastian Kurz hat dieses Angebot in der Vorwoche bei einer Reise in die Region bekräftigt. Sogar österreichische Soldaten könnten zum Einsatz kommen, bestätigte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil.
Würden die Mazedonier allerdings ihre Grenzen schließen, würde das die Spannungen mit dem Nachbarn nicht unbedingt verringern. Der Stau an Flüchtlingen könnte Griechenland außerdem noch mehr ins Chaos stürzen. Daher betont auch schon die EU-Kommission, dass jede Lösung mit und nicht gegen Athen gefunden werden müsse. Eine Mazedonien zugesagte Finanzhilfe in Höhe von zehn Millionen Euro solle nicht dem Bau von Zäunen dienen sondern der Verbesserung des "Grenz-Managements" und der Registrierung von Flüchtlingen.
Aus Berlin kommen ebenfalls Warnungen davor, Griechenland zu isolieren. Um sich mit anderen Staaten abzustimmen, wird Kanzlerin Merkel einmal mehr eine Reihe von Amtskollegen noch vor dem Gipfeltreffen im großen Kreis um sich versammeln. An dieser "Koalition der Willigen" nimmt auch Österreich teil, in dessen ständiger Vertretung in Brüssel das Treffen stattfindet.