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Ein Chor von griechischen und türkischen Zyprioten singt gegen die Teilung der Mittelmeerinsel an.
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Als sie das Lied zum ersten Mal gemeinsam gesungen haben, hatten sie Tränen in den Augen. Der Text handelt von der Liebe zur Heimat, geschrieben von der türkisch-zypriotischen Dichterin Nese Yasin. Vertont hat ihn der griechisch-zypriotische Musiker Marios Tokas. Und wenn der gemischte "Chor für den Frieden" das Lied aufführt, berührt es auch noch heute. Sowohl das Ensemble als auch das Publikum.
Denn auch heute noch ist deren Heimat, Zypern, geteilt. Die kleine Mittelmeerinsel ist zerrissen in einen mehrheitlich von griechischen Zyprioten bewohnten Süden und die nur von Ankara anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Dagegen singt der Friedens-chor an, seit einem Dutzend Jahren. Seine fast 50 Mitglieder können einander mittlerweile regelmäßig zu den Proben treffen, da ein paar Grenzübergänge in ihrem Land geöffnet wurden.
Doch früher mussten sie getrennt üben, die griechischen Zyprioten im Süden, die türkischen im Norden. Nur selten kamen sie im Ledra Palace zusammen, in dem als Luxushotel erbauten kolonialen Prachtbau, der nun im Waffenstillstands-Gebiet liegt und Friedenssoldaten der Vereinten Nationen statt wohlhabender Gäste beherbergt.
Auch diesmal treffen die Chorleute einander vor dem Ledra Palace. Doch nur, um dort in den Bus einzusteigen. Er bringt sie in eine Ortschaft im Süden, deren griechischer Name Athienou ist und der türkische Kiraciköy. In einer Sporthalle ist ein Konzert angesetzt, zum Gedenken an Dervis Kavazoglu und Kostas Misaoulis, einen türkischen und einen griechischen Zyprioten, die 1965 wegen ihrer Bemühungen um den Frieden gemeinsam ermordet wurden.
Die Halle ist gut besucht, die Ensembles drängen sich neben der Bühne, auch Tanzgruppen sind gekommen. Gedichte werden vorgetragen, Tänze aufgeführt, Lieder gesungen, einmal auf Griechisch, einmal auf Türkisch. Und beim letzten Lied, dem von Yasin und Tokas, singen einige aus dem Publikum mit.
Später, nach dem Konzert, werden die unterschiedlichen Ensembles gemeinsam weitertanzen und -singen, diesmal nur für sich. Bei einem späten Abendessen, das im Kulturzentrum des Ortes für die Amateurkünstler hergerichtet ist, wird jemand zur Gitarre greifen, ein türkisches Volkslied spielen und einen griechischen Tanz darauf folgen lassen. Sie werden ein Spiel beginnen, bei dem unter lautem Applaus abwechselnd ein Mann einer Frau, eine Frau einem Mann eine Kartoffel auf einer Gabel reicht und die Übergabe mit einem Kuss besiegelt.
Es gibt keine Lösung für das Zypern-Problem, wenn die Menschen nicht einander näher kommen, sagt die Chorleiterin Lena Melanidou. "Anstatt einander ändern zu wollen, respektieren wir einander." Wenn die Türken ihr Opferfest begehen, überbringen die Griechen ihnen Glückwünsche. Wenn die Griechen Ostern feiern, gratulieren die Türken.
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Und die Politik? Seit Jahren finden Verhandlungen zur Wiedervereinigung der Insel statt. Diese Woche hat die nächste Gesprächsrunde begonnen. Einmal ist die Zuversicht größer, einmal kleiner. Derzeit gibt sich der UN-Sonderbeauftragte optimistisch. Eine Lösung in den kommenden Monaten sei möglich. Immerhin scheint auch die neue Führung der türkischen Zyprioten von der Zwei-Staaten-Idee abzukommen, die die Trennung zementieren würde.
Doch noch haben die Worte der Dichterin Nese Yasin ihre Aktualität nicht verloren. "Du sollst deine Heimat lieben. Das hat mein Vater immer gesagt. Doch meine Heimat ist in der Mitte geteilt. Welche Hälfte soll ich lieben?"