Ökonomin Sigrid Stagl und Wirtschaftspublizist Christian Felber diskutierten bei den Alpbach Talks über Probleme und Chancen des Freihandels.
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Wien. TTIP, Nafta, Ceta - in der Debatte um internationale Freihandelsabkommen sind die Lager gespalten. Je mehr Handel desto besser, sagen die einen. Schließlich soll es Wachstum geben und die Armut bekämpft werden. Vertreter des Protektionismus wollen dagegen so wenig wie möglich internationalen Handel und ihre heimische Industrie schützen. Handel, darin waren sich die Diskutanten Christian Felber und Sigrid Stagl des Alpbach Talks einig, habe vor allem das oberste Ziel, den Bedürfnissen der Menschen zu dienen - und nicht umgekehrt. Die Diskussion fand auf Einladung des Europäischen Forums Alpbach und der "Wiener Zeitung" statt.
Felber, der seinerzeit die globalisierungskritische NGO "Attac" in Österreich mitgegründet hat, kritisiert am Status quo, dass Handel besonders in Zeiten der Globalisierung immer mehr zum Selbstzweck werde. Auch Protektionismus sei nicht zielführend, denn dieser setze auf Barrieren um der Barrieren willen. Das Problem, so der Initiator der Gemeinwohlökonomie, sei die Perversion zum Selbstzweck.
"Den Idealfall gibt es nicht"
Auch Volkswirtin Stagl plädiert für eine differenzierte Herangehensweise. "Die Frage stellt sich nicht, ob mehr oder weniger Handel besser ist, sondern unter welchen Bedingungen dieser das Ziel erfüllt, dem Gemeinwohl zu dienen", sagt die Leiterin des Instituts für Ökologische Ökonomien an der Wirtschaftsuniversität Wien. "Die Begriffe ,Freie Märkte‘ und ,Freihandel‘ suggerieren einen natürlichen Zustand", kritisiert die Professorin, den es so aber nicht gebe. Handel sei ein Markt mit einer Menge an Regeln. Die Normen und Konstitutionen sind zudem weltweit unterschiedlich. Der Idealfall eines "freien" Handels sei reine Theorie, "es gibt immer eine Regulierung, die Frage ist, welche", sagt die Ökonomin. Dass diverse Freihandelsabkommen, so wie sie aktuell geregelt sind, Armut bekämpfen und Wohlstand sichern können, bezweifeln die Ökonomin wie der Publizist. "Es gibt kein einziges reiches Land, dass durch Freihandel reich geworden ist", vielmehr das Gegenteil habe Geschichte gemacht. Die Kolonialländer erlangten ihren Reichtum, weil sie die Kolonien zu Zwangshandel verpflichteten, führt Felber an.
Es müsse differenziert werden, wer bei Ceta und Nafta etwa tatsächlich profitiere, so Stagl. Nicht jeder in Kanada und Mexiko hat Vorteile von den Abkommen. In Mexiko sei der Mindestlohn etwa gesunken, die Wachstumsprognosen vor den Abkommen seien viel zu optimistisch gewesen, so Stagl. Auch Felber, dessen aktuelles Buch "Ethischer Welthandel", Alternativen zu TTIP und der Welthandelsorganisation WTO diskutiert, macht auf den Anstieg der Ungleichheit aufmerksam. Großunternehmen wie Monsanto profitieren von Ceta und Co ungleich mehr als kleine und mittelgroße Unternehmen. Ungerechtigkeit wächst zudem innerhalb der teilnehmenden Länder, auch wenn die Armut global gesunken sei, sind sich Stagl und Felber einig.
In den Handelsverträgen brauche es laut Felber die Verpflichtung zum Gemeinwohl: Die Umsetzung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz, gerechte Verteilung und kulturelle Vielfalt sollten künftig einklagbar sein. Ethischer Welthandel im Rahmen der UNO, so Felbers Modell, kann also durchaus mehr Handel bedeuten - wenn dieser die Menschheit diesen Zielen näher bringt.