Die Umsetzung türkis-grüner Kernprojekte ist fraglich.
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Auch wenn noch unabsehbar ist, wie die Dynamiken sich bis zum Dienstag entwickeln: Die Grünen haben zunehmend klargemacht, dass sie in einer Koalition mit Sebastian Kurz (ÖVP) als Bundeskanzler nicht mehr weiterarbeiten wollen. Bei der Nationalratssondersitzung am Dienstag könnten sie mit dem Misstrauensantrag der Opposition mitstimmen - und damit die Koalition beenden.
Wie die Republik in diesem Fall weiterregiert werden könnte, ist aktuell unklar. Klar ist dagegen: Die Umsetzung des türkis-grünen Regierungsprogramms fände damit ein jähes Ende. Umso mehr, weil Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch, einen Tag nach der Sondersitzung mit ungewissem Ausgang, im Parlament seine Budgetrede hätte halten sollen. Der Beschluss des Budgets, für dessen Entwurf die Regierung die Beträge bereits ausverhandelt hat, wäre für den 18. November geplant gewesen. Kommt der vorgesehene Fahrplan ins Wanken, ist neben noch ausständigen Gesetzesbeschlüssen auch die Umsetzung von bereits ins künftige Budget eingeplanten Vorhaben der türkis-grünen Regierung ungewiss. Die Grünen schlugen deshalb am Freitagabend per Aussendung einen Sonderministerrat für Dienstagfrüh - also noch vor einem allfälligen Misstrauensantrag gegen den Kanzler - vor, um zumindest das ausverhandelte Budget zu sichern. Dem erteilten die Türkisen am Samstag einen Korb. Ein Sprecher von Finanzminister Blümel verwies darauf, dass der Budgetfahrplan "seit Monaten fixiert" sei. Demnach wären Beschluss im Ministerrat und Budgetrede im Nationalrat am Mittwoch, der Beschluss im Plenum für 18. November geplant. "Ob dieser Fahrplan so hält, hängt von den Grünen ab und ob sie in der Sondersitzung am Dienstag staatspolitische Verantwortung übernehmen."
Klimaschutzgesetz ist noch nicht fertig
Das "Klimaticket", Prestigeprojekt der Grünen, wurde bereits beschlossen, es gilt ab 26. Oktober und der Vorverkauf der Öffi-Netzkarten läuft. Die Finanzierung dafür macht zusätzliche 430 Millionen Euro bis 2025 gegenüber dem Bundesfinanzrahmengesetz (BFRG) 2021-2024 aus. Für Förderprogramme zur E-Mobilität verhandelten Türkis und Grün zudem zusätzliche 440 Millionen aus, für die Radinfrastruktur 80 Millionen und für den Schienengüterverkehr 55 Millionen für den Zeitraum 2022 bis 2025.
Die "ökosoziale Steuerreform", gemeinsames Kernprojekt der Koalition, wurde zwar fertig ausgearbeitet und von der Regierung präsentiert - das entsprechende Gesetz aber im Gegensatz zum Klimaticket noch nicht beschlossen.
Die Budget-Posten dafür sind stattlich: Die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für untere Einkommen ist mit 600 Millionen Euro beziffert, der regionale Klimabonus für die Jahre 2022 bis 2025 mit insgesamt 5,5 Milliarden Euro. Die Erhöhung von Förderungen zum Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen würde zusätzlich 90 Millionen Euro für 2022 und 2023 kosten, neue Förderungen für die thermische Sanierung von Wohnbauten 60 Millionen für 2022.
Ein besonderes Anliegen der Grünen, das man sich für den Herbst vorgenommen hatte, wackelt nun ebenfalls: das Klimaschutzgesetz. Der Entwurf dafür wird im Umwelt- und Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) ausgearbeitet und soll nach deren Wunsch unter anderem einen Notfallmechanismus mit automatischem Anstieg der Steuern auf fossile Energieträger beinhalten, für den Fall, dass die Klimaziele verfehlt werden. Klimaneutralität bis 2040 inklusive einem Treibhausgasreduktionspfad soll demnach in der Verfassung verankert und ein "Klimakabinett" eingerichtet werden. Wie der "Wiener Zeitung" von den Grünen bestätigt wurde, gibt es für das Gesetz allerdings noch keinen mit der Volkspartei abgestimmten Begutachtungsentwurf.
Ins Stocken gekommen ist auch das lange angekündigte Informationsfreiheitspaket, das unter anderem das Amtsgeheimnis abschaffen, ein Sondervotum für Verfassungsrichter einführen und die Prüfmöglichkeiten des Rechnungshofs ausbauen soll. Im Sommer kündigte die ÖVP an, es "neu durchdenken" zu wollen.
Seit langem nichts Neues gibt es auch beim Thema Sterbehilfe. Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Strafbarkeit der "Beihilfe zum Selbstmord" mit Jahresende gekippt hat, hatte die Regierung eigentlich angekündigt, eine konkrete gesetzliche Ausgestaltung vorzulegen.
Warten auf neues ORF-Gesetz
Anstehen würde auch ein neues ORF-Gesetz, das die Möglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Netz neu ordnen und eine Gebührenerhöhung erlauben soll. Zuletzt war die Novelle im Herbst 2022 erwartet worden.
Bereits geeinigt hatte man sich in der Regierung dagegen auf Budgeterhöhungen in einigen weiteren zentralen Bereichen: So sind etwa am Arbeitsmarkt für 2022 250 Millionen Euro für die Aktion Sprungbrett, ein Programm zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser, vorgesehen, 20 Millionen für Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich "Green Jobs" und öffentlicher Verkehr. Ein besonders hoher Posten ist auch 2022 mit knapp 1,3 Milliarden Euro für den Corona-Krisenbewältigungsfonds zur Pandemiebekämpfung und -prävention vorgesehen.
Ebenfalls geplant sind zusätzliche Mittel für Kunst und Kultur, nämlich 21 Millionen Euro für die Bundesmuseen und Bundestheater, 5 Millionen für die Kinderoper der Wiener Staatsoper und 17 Millionen mehr für Sanierungen und Investitionen von 2022 bis 2025.
Im Bereich Integration sollen die Förderungen für Deutschkurse von 55,4 auf 83,8 Millionen Euro, also um 18,5 Prozent, gesteigert werden.
Für Wissenschaft und Forschung sind eine Valorisierung der Studienbeihilfe um zusätzliche 20 Millionen über vier Jahre und 140 Millionen Euro für die Nationalstiftung vorgesehen.
In das Gewaltschutzpaket für Frauen sollen zudem 16,6 Millionen Euro fließen.
Der Artikel wurde am 9.10. mit den Aussagen des Sprechers von Finanzminister Blümel aktualisiert.