Nord Stream 2 auf Eis gelegt, Vermögen eingefroren. Westen schreckt noch vor Gas-Embargo und Swift-Ausschluss zurück.
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Es ging dann doch Schlag auf Schlag. Am Montag erkannte Russlands Präsident Wladimir Putin die Separatistengebiete im ukrainischen Donezk und Luhansk als eigenständige Republiken an. Am Dienstag einigten sich die USA und die EU-Staaten auf erste Sanktionen, die am Mittwoch in Kraft traten. Am Donnerstag startete Russland schließlich den Angriff auf die Ukraine. Die EU kündigte umgehend ein neues Sanktionspaket gegen Russland an. Laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel werde dieses "massive und schwerwiegende Folgen" für das Land haben. Nach früheren Angaben von der Leyens dürfte das neue Paket unter anderem Ausfuhrverbote für wichtige High-Tech-Komponenten umfassen und den russischen Energiesektor ins Visier nehmen. Es dürfte zudem auch Sanktionen gegen Oligarchen umfassen. Was nun gilt, und was noch kommen könnte:
Nord Stream 2 liegt auf Eis
Die wohl symbolträchtigste Sanktion wurde am Dienstag ausgerechnet in Deutschland von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgesprochen. Er hat das Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 vorerst auf Eis gelegt. Die Inbetriebnahme ist also bis auf Weiteres verschoben. Das ist allerdings ein rein symbolischer Akt. Denn die notwendige Genehmigung der schon fertiggestellten Pipeline durch die deutsche Bundesnetzagentur stand ohnehin noch aus.
Und diese Entscheidung ändert auch noch nichts an den Gasliefermengen, die aktuell von Russland in die EU fließen. Denn durch Nord Stream 2 fließt ja noch kein russisches Gas. Die Pipelines Nord Stream 1, Jamal, Druschba und Turkstream befördern weiterhin die vertraglich zugesagten Gasliefermengen von Russland nach Europa. Das soll sich vorerst auch nicht ändern. Präsident Putin hat angekündigt, dass Russland auch weiterhin seinen Lieferverpflichtungen nachkommen wolle. Das muss Russland auch, denn die Energieexporte machen zwei Drittel aller Warenexporte aus. Die Erlöse aus der Energiewirtschaft machen fast die Hälfte der föderalen Staatseinnahmen aus.
Am Mittwoch verhängten dann auch die USA Sanktionen - gegen die Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 und ihre Topmanager. Das kündigte US-Präsident Joe Biden in einer schriftlichen Mitteilung an. Biden hatte aus Rücksicht auf Deutschland lange auf Sanktionen gegen Nord Stream 2 AG verzichtet, die ihren Sitz in der Schweiz hat und bei deren Finanzierung auch die teilstaatliche österreichische OMV mitgemischt hat.
Sanktionen gegen russische Staatsbanken
Die EU hat Sanktionen gegen alle Banken ausgesprochen, die russische Militäroperationen in der Region finanzieren. Außerdem kündigte US-Präsident Joe Biden ein Handelsverbot für russische Staatsanleihen an. US-Banken ist es also künftig verboten, auf den Primär- und Sekundär-Märkten mit russischen Bonds zu handeln. Außerdem werden die VEB-Bank und die Promsvyazbank von den USA sanktioniert, die im Verteidigungsbereich tätig sind.
Das soll Russlands Refinanzierung auf den internationalen Finanzmärkten erheblich erschweren. Allerdings dürfte das, zumindest kurzfristig, Putin nicht beeindrucken. Das Land ist viel weniger auf den internationalen Finanzmarkt angewiesen als viele EU-Länder. Die Staatsverschuldung beträgt lediglich 16 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zudem hat Moskau in den vergangenen Jahren große Währungsreserven angehäuft, nämlich im Umfang von 640 Milliarden US-Dollar oder fast 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sollten die Sanktionen aber noch länger dauern oder verschärft werden, wird es irgendwann auch für Russland teuer.
Einreiseverbote und Vermögen eingefroren
Die EU hat 27 Personen und Gebietskörperschaften auf die Sanktionsliste gesetzt, die die territoriale Einheit der Ukraine bedrohen. Auch deren Vermögen in EU-Banken soll eingefroren werden. Außerdem werden alle 351 Duma-Abgeordnete, die für die Anerkennung der Separatisten-Gebiete gestimmt haben, mit Reise- und Vermögenssperren in der EU belegt.
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Handelsabkommen ausgesetzt
Das Assoziierungsabkommen, das die EU mit der Ukraine 2014 abgeschlossen hat, gilt ab Mittwoch nicht mehr für die besetzten Gebiete Luhansk und Donezk. Das bedeutet also, dass Waren und Dienstleisungen, die dort produziert wurden und von dort vertrieben werden, keinen bevorzugten Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten.
Ausschluss aus Swift
Noch nicht ausgesprochen aber zumindest angedroht ist ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Finanztransaktionssystem Swift. Das "Society of Worldwide Interbank Financial Telecommunication", kurz Swift, ist das weltweit größte Finanz-Transfernetz, das von rund 11.000 Banken zur Abwicklung von Transaktionen genutzt wird. Es ist nicht das einzige, aber mit Abstand größte solche Transfernetzwerk.
Sollte Russland ausgeschlossen werden, könnte es keine Finanztransaktionen mehr über dieses Netzwerk abwickeln. Das würde auch zahlreiche europäische Banken treffen, die in Russland aktiv sind. Etwa die heimische Raiffeisen Bank International oder die italienische Unicredit. Russland und China arbeiten bereits an einem eigenen Transfernetz. Das macht die EU im übrigens auch mit der sogenannten "European Payment Initiative" (EPI). Bis diese Systeme implementiert sind, wird es aber wohl länger dauern.
Weitere Energie-Sanktionen
Sowohl Russland als auch die EU und die USA schrecken vor Energie-Embargos zurück. Das würde alle Seiten sehr hart treffen. Russland will weiterhin alle zugesagten Gasliefermengen in die EU liefern und auf EU-Seite will niemand den Gashahn zudrehen. Fast die Hälfte des in der EU verbrauchten Erdgases kommt aus Russland, in Österreich sind es 80 Prozent, in Bulgarien gar 100. Und auch die USA wollen explizit keine Sanktionen auf Energieerzeugnisse. Russland ist mittlerweile der drittgrößte Erdöllieferant der USA. Die Staaten geben Milliarden für russisches Öl aus. Sanktionen könnten zu Öl-Engpässen führen, die die ohnehin hohe Inflation in den USA weiter anheizen könnten.