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Welche Wahlen?

Von Michael Schmölzer

Politik

Die frühere Botschafterin in Wien, Magda Vásáryová, über den österreichischen Nationalratswahlkampf.


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"Wiener Zeitung": Wie wird die österreichische Nationalratswahl in der Slowakei wahrgenommen?

Magda Vásáryová: Das ist das große Problem: Überhaupt nicht. Ich werde selber etwas darüber schreiben müssen, sonst weiß hier niemand, dass diese Wahl überhaupt stattfindet.

Wie kann das sein? Bratislava liegt doch nur 50 Kilometer von Wien entfernt.

Über die österreichische Präsidentschaftswahl wurde viel berichtet und diskutiert. Zeitungen und Fernsehen haben erklärt, worum es geht, da waren die Slowaken ziemlich gut informiert. Ein Grund für das jetzige fehlende Interesse ist die Parlamentswahl in Tschechien am 20 und 21. Oktober. Da hat ein gewisser Andrej Babi Siegesschancen. Einer, der durch die Privatisierungen der Meciar-Ära reich geworden ist. (Vladimir Meciar war in den 90er-Jahren umstrittener Premier der Slowakei). Den kennen wir sehr gut. Es ist aber auch so, dass sehr wenige Slowaken nach Wien eingeladen werden, um über die politische Lage zu berichten.

Wieso "eingeladen"?

Zu Pressekonferenzen, zu politischen Diskussionen.

Da hat sich aber einiges zum Schlechteren verändert. Ich erinnere an die Nachbarschafts-Euphorie 2004, als es um "Twin City" Bratislava und Wien ging, um gemeinsame Projekte und Kooperationen.

Das Projekt "Twin City" ist tot. Es kommen viele Österreicher nach Bratislava, aber in die andere Richtung hapert es. Das ist vielleicht auch unser Fehler, aber es gibt kaum Informationen, was in Österreich vor sich geht. Wien besteht für die die meisten Slowaken aus dem Flughafen Schwechat. Viele arbeiten in Wien, aber es gibt keine enge Zusammenarbeit auf politischer Ebene. Es ist wie eine Einbahnstraße.

Hat vielleicht die sogenannte Flüchtlingskrise zur Entfremdung beigetragen? Zumindest sporadisch gibt es wieder Grenzkontrollen und die Slowakei gilt als unsolidarisch, weil sie keine Flüchtlinge aufnehmen will.

Von Grenzkontrollen bemerke ich kaum etwas. Aber unsere Haltung in der Flüchtlingsfrage ist für mich schmerzhaft. Wir sagen immer, dass wir Christen sind, aber wir handeln nicht in diesem Sinne. Unsere Politiker haben Flüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge in einen Topf geworfen: Alle sind Muslime und alle sind Terroristen: Das war ein Fehler.

Die Slowakei hat einen sozialdemokratischen Kanzler und Österreich auch. Gibt es da keine Brücken?

Unser Premier ist in erster Linie ein Populist, kein Sozialist. Der macht einen Tag das und den anderen das Gegenteil. Ich weiß nicht, ob Robert Fico ein wirklich inniges Verhältnis zu Kanzler Christian Kern hat.

Kann es sein, dass sich die Slowakei außenpolitisch prioritär in Richtung Višegrad-Staaten, also Tschechien, Polen und Ungarn orientiert?

Višegrad ist für die Slowakei enorm wichtig. Es ist eine Kooperation zwischen Nationen, die historisch nie zusammengearbeitet haben. Wir grenzen ja an alle drei anderen Višegrad-Staaten. Und wir haben gemeinsame Probleme, die Österreich nicht hat. Als es um die Nato-Mitgliedschaft ging, haben uns die Tschechen und Polen sehr, sehr geholfen. Ohne Nato-Mitgliedschaft wären wir nie EU-Mitglied geworden. Trotzdem sollten wir enger mit Österreich zusammenarbeiten, immerhin sind beide Länder in der Eurozone. Die derzeitige slowakische Regierung ist für die Bankenunion, wo Polen und Tschechen gegensteuern. Aber wenn ich die Anzahl der Besuche zähle, dann sehe ich Sebastian Kurz öfter beim ungarischen Außenminister als hier in der Slowakei.

Sie haben die tschechischen Wahlen erwähnt. Sind die Slowaken eigentlich stolz auf Babi?

Nein, sicher nicht. Er gehört zu diesen Oligarchen der Meciar-Ära, die hier nicht populär sind. Wir verstehen nicht, warum ihn die Tschechen so lieben. Ein Oligarch als Finanzminister, der den Staat als seine eigene Privatfirma führen will. Auch gibt es Beweise, dass Babi in der KP-Ära Geheimdienstagent war.

Zurück zu den Wahlen in Österreich. Sie haben gesagt, dass das Duell zwischen dem Nationalisten Hofer und dem ehemaligen Grün-Politiker Van der Bellen in der Slowakei intensiv verfolgt wurde. Ich frage mich: Warum?

Das hat damit zu tun, dass wir in der Slowakei Probleme mit faschistischen Politikern haben. Wir haben einen Faschisten als Landeshauptmann . . .

. . . Kotleba

Ja, Kotleba. (Marian Kotleba ist Vorsteher der mittelslowakischen Region Banská Bystrica. Er sitzt außerdem als Abgeordneter im slowakischen Parlament und gilt als rechtsextrem. Ihm droht u. a. ein Prozess wegen Demokratiegefährdung, Anm.) Und deshalb sind wir hier sehr sensibilisiert und schauen genau, ob es in Österreich nicht ähnliche Tendenzen gibt. Wir waren im Zweiten Weltkrieg ein faschistisches Land, das mit Adolf Hitler kollaboriert hat. Wir haben unsere jüdische Bevölkerung deportiert, und wir haben dafür bezahlt. Das ist eine Last, die wir tragen. Eine faschistische Idee war ja, dass sich Slawen nicht auf dem Niveau von Nichtslawen befinden.

... "Untermenschen" sind.

Ja. Deswegen haben wir genau beobachtet, wie die österreichischen Präsidentschaftswahlen ausgehen. Wer da in die Hofburg kommt.

Und beim Nationalratswahlkampf fehlt jetzt das gewisse Etwas, das die Sache für Slowaken spannend macht? Wir haben da einen jugendlich wirkenden Konservativen, der beste Siegeschancen hat, einen Kanzler, der erfolgreicher Manager war, und eine FPÖ, die sich in der Realität weniger faschistisch denn staatstragend gibt . . .

Ich bin mir sicher: Sollte die FPÖ Teil einer Regierung werden, dann werden wir in der Slowakei mehr Interesse zeigen. Wenn rechte Kräfte nicht nur im Parlament sind, sondern auch in der Regierung sitzen - das interessiert uns. Immerhin stehen wir vor Regionalwahlen am 4. November - das wissen übrigens die meisten Österreicher wieder nicht. Wir kämpfen mit dem Problem, dass hier immer mehr Wähler rassistische Ideen unterstützen. Wir waren hier immer sehr pluralistisch, und jetzt findet eine Hetze gegen Roma statt. Das ist neu.

Magda Vásáryová war nach der "Samtenen Revolution" Botschafterin der Tschechoslowakei in Österreich. 1999 war sie Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl, von Februar 2005 bis Juli 2006 amtierte sie als Staatssekretärin im Slowakischen Außenministerium. Bei der Parlamentswahl 2006 wurde sie für die Slowakische Demokratische und Christliche Union ins Parlament gewählt.

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