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"Armut ist nicht nur eine Frage des Einkommens, sondern wieviel Einfluss und Macht jeder hat, um seine Ansprüche geltend zu machen", so Mats Karlsson. Seit einem Jahr ist der Schwede Vizepräsident der Weltbank für Öffentlichkeitsarbeit. Prag wird ab heute im Blickfeld stehen, denn dann beginnt die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Karlsson traff deshalb in Wien mit NGO-Vertretern und Parlamentariern des Entwicklungspolitischen Unterausschusses zusammen. Dabei diskutierte der Vize über die Themen der Tagung: An erster Stelle rangieren neue Strategien zur Armutsbekämpfung und Schuldennachlass.
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"Die Arbeit der Weltbank hat sich in den letzten Jahren stark verändert, das betrifft vor allem das Verständnis und die Definitionen von Armut", betont der Ökonom. Ein Beleg für diese Wandlung sei auch der jüngste Weltbankbericht.
Vor allem in den vergangenen fünf Jahren unter der Leitung von Präsident James Wolfensohn, hätte sich die Weltbank auch gegenüber der Kritik von zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen geöffnet und danach andere Wege der Kreditvergabe beschritten. "Wir sind mittlerweile die größten Financiers von Ausbildungs- und Gesundheitsprogrammen", erläutert der Vizepräsident. Hatte die Finanzorganisation vor 20 Jahren noch 25% des Kreditvolumens für Projekte zur Energiegewinnung investiert, so sank dieser Anteil in den letzten Jahren auf 2%, erläutert Karlsson im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Im Zuge der Umschichtungen wurden das Kreditvolumen für Ausbildung, Gesundheit und Nahrung von 5% auf mehr als 25% aufgestockt.
Eine Führungsposition hat die Weltbank im Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria, den sie gemeinsam mit WHO, UNICEF und Pharmakonzernen aufgenommen hat.
Am Programm der Tagungsgespräche zwischen Weltbank und Währungsfonds (IWF) wird die Arbeitsteilung zwischen den UN-Organisationen stehen. Kümmert sich der IWF vorrangig um makroökonomische Stabilität und Wachstumsperspektiven, so liegt der Schwerpunkt der Weltbanktätigkeit auf Strukturprojekten zur Bekämpfung von Armut. Aber auch der IWF zeigt sich gegenüber den globalen Problemen, zumindest am Papier, nicht uneinsichtig. Die Chefs der beiden Institutionen Horst Köhler und James Wolfensohn haben einen gemeinsamen Brief verfasst, in dem sie ihre Arbeit der Verbesserung der Lebensstandards, dem Kampf der Armut und der nachhaltigen Entwicklung verschreiben.
Ein weiterer Schwerpunkt der Prager Themenliste ist der Schuldennachlass für die ärmsten Länder. Die G7 haben sich somit endlich auf eine gemeinsame Strategie einigen können. Karlsson bezeichnet diese Initiative als radikalen Schuldennachlass: "Von 25 möglichen Kandidaten werden 20 entschuldet." Unter den Glücklichen befinden sich u. a. Mosambik und Uganda, so der Schwede auf Anfrage der "Wiener Zeitung".
Die geplanten Demonstrationen findet der Vizepräsident grundsätzlich positiv, "sie zeigen das Engagement interessierter Menschen". Damit die Proteste aber nicht in bürgerkriegsähnliche Zustände wie in Seattle ausarten, wird es am 23. September auch ein Diskussionsforum mit den Organisatoren der Aktionen geben.