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Welternährungstag oder Welthungertag?

Von Michael Bünker

Gastkommentare
Michael Bünker ist Bischof der Evangelischen Kirche A.B. und Vorsitzender des Oberkirchenrates A. und H.B.

Am 16. Oktober begeht die UNO den Welternährungstag*. | Jeder sechste Mensch auf dieser Erde hungert.


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Aktuell sterben Tag für Tag 37000 Menschen an den Folgen von Hunger und Unterernährung, 13 Millionen im Jahr. 2005 beschloss die EU, ihre Mittel für Entwicklungspolitik zuerst auf 0,56 Prozent und dann auf 0,7 Prozent des nationalen Reichtums anzuheben. Es war gelungen, die Zahl der Hungernden zwischen 1970 und 1995 um fast 100 Millionen zu senken. Im neuen Jahrtausend sollte es so weitergehen: Eines der Millennium-Ziele sah vor, bis 2015 die Zahl der Hungernden auf der Welt zu halbieren. Mittlerweile ist die Milliardengrenze wieder überschritten, das ambitionierte Ziel liegt in weiter Ferne.

Das Recht auf adäquate Ernährung ist ein verbrieftes Menschenrecht. Die Ursachen des Hungers sind komplex: Die subventionierten Nahrungsmittelexporte aus dem Norden in den Süden zerstören seit Jahrzehnten die Chancen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Entwicklungsländern. Von fairen Handelsbeziehungen sind wir weit entfernt. Der "freie" Markt, die mächtigen transnationalen Konzerne brechen in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer ein und nehmen, neben ökologischen Zerstörungen, auch die Gefährdung der Ernährungssicherheit in Kauf.

Zudem entzieht die zunehmende Spekulation mit Grundnahrungsmitteln und mit landwirtschaftlichem Grund und Boden mit einem Mausklick am Computer in Sekunden mehreren Millionen Menschen die Lebensgrundlage. Dazu kommt, dass die industrielle Produktion von landwirtschaftlichen Gütern nicht einfach übertragbar ist. An ihrer Stelle braucht es sozial und ökologisch verträgliche, regional eingebundene Anbau- und Lebensweisen.

Was wird geschehen, wenn es uns vielleicht morgen besser geht als heute, aber den armen Ländern schlechter als gestern? Im Jahr 2020 werden in Afrika voraussichtlich rund 1,5 Milliarden Menschen hungern. Hunger lässt Menschen gegen ihre Regierungen aufstehen, Hunger trägt zu instabilen politischen Verhältnissen bei. Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik mit anderen Mitteln.

Die Menschen in den Entwicklungsländern brauchen Unterstützung. Leider ist Österreich gerade dabei, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zusammenzustreichen. Der Beitrag der österreichischen Regierung war ja noch nie wirklich ausreichend, die vereinbarten 0,7 Prozent des BIP blieben ein Lippenbekenntnis, real sind es derzeit 0,32 Prozent. Und es werden in den kommenden Jahren kontinuierlich weniger werden. So hat es die Bundesregierung beschlossen.

Die evangelische Kirche leistet Entwicklungshilfe. Viele Österreicherinnen und Österreicher unterstützen sie dabei, wenn sie für "Brot für die Welt" spenden. Dafür sind ihnen die Brüder und Schwestern im Süden dankbar. Weder die Kirche noch die privaten Spenderinnen und Spender können vollständig die Verantwortung übernehmen, die der österreichische Staat trägt. Hunger zu stillen ist eine moralische Verpflichtung. Nehmen wir sie wahr.

*Der 16. Oktober wurde 1979 ausgewählt, weil am 16. Oktober 1945 die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO gegründet wurde.