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Der Montag war ein schwarzer Tag für Pascal Lamy, den Chef der Welthandelsorganisation (WTO): Er musste offiziell eine Aussetzung der schon seit fünf Jahren laufenden Doha-Runde beantragen. Was so technisch klingt, bedeutet in der Praxis, dass die Liberalisierung des Welthandels auf Eis gelegt worden ist.
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Die Zusammenkunft der so genannten G6 (das sind Vertreter der EU, der USA, von Brasilien, Australien, Indien und Japan) in Genf zu Beginn dieser Woche galt aber als letzte Chance, eine Einigung über den globalen Abbau von Handelshemnissen zu finden.
Glaubt man Prognosen der Weltbank, so könnte das Stocken der WTO-Gespräche Verluste in Milliardenhöhe für die Weltwirtschaft bringen: Nach Berechnungen der Bank liegt der mögliche Wohlstandszuwachs durch die Handelsliberalisierung im Rahmen der Doha-Runde global bei rund 287 Milliarden Dollar.
Besonders bitter ist die Situation aus wirtschaftlicher Sicht für die ärmsten Länder. Durch die Doha-Runde sollten vor allem Entwicklungsländer gefördert werden, in dem für sie Einfuhrzölle auf Agrarprodukte abgebaut werden. Besonders Afrika gilt als großer Verlierer der eingefrorenen Welthandelsgespräche.
Doch Globalisierungsgegner meinen, der Welthandelsrunde sei das Ziel, die Lebensstandards in den ärmsten Ländern zu verbessern, abhanden gekommen. Diese Entwicklungsrunde würde ihrem Namen nicht gerecht, meinen die Entwicklungshilfe-Koordinatoren der Österreichischen Bischofskonferenz. Wichtige Schutzinstrumente für schwache Ökonomien seien nie ernst genommen worden, es sei immer nur um den Marktzugang für die Industrieländer gegangen, ohne Rücksicht auf die Situation der einzelnen Ländern.
Doch ob das Scheitern der WTO-Gespräche eine Chance für einen Neubeginn einer gerechteren Welthandelsordnung sein könnte, wie dies die Grünen und Attac nun meinen, darf bezweifelt werden. Denn begrüßt man eine Schwächung der Welthandelsorganisation - und eine solche Schwächung war das Scheitern der letzten Gespräche zweifelsohne -, dann ist fraglich, welche anderen Vehikel es noch geben soll, um zu einem besser funktionierenden Welthandelssystem zu gelangen.
Handelsexperten nehmen an, dass als Folge der Aussetzung der WTO-Gespräche verstärkt bilaterale und regionale Handelsabkommen geschlossen werden. Diese führen jedoch zu unterschiedlichen Regeln - und zu höheren Kosten.
Dass die großen WTO-Mitspieler nur auf neue Märkte schielten, ist wohl zu einem gewissen Maß zutreffend. Doch um zu einer Lösung zu gelangen, die für alle Staaten tragbar ist, muss man alle an einen Tisch bekommen - und zumindest das hatte die WTO bisher erreicht.
Lamy hat sich am Dienstag selbst Mut zugesprochen. Er betonte, die Lage sei ernst, es wäre aber schlimmer, wenn die Beteiligten nicht an den Verhandlungstisch zurückkehrten. Jetzt müsse erst einmal nachgedacht werden.