"Spirituelle Freude" der Afrikaner ist ansteckend, meint Weihbischof Scharl.
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Wien. Sechs Männer weihte Kardinal Christoph Schönborn Freitagnachmittag zu Priestern. Einer ist Wiener, die anderen kommen aus Polen, Rumänien, Deutschland, Spanien und den USA. Internationaler wird die Erzdiözese auch sonst. Mehr als 30 fremdsprachige Gemeinden hat sie zurzeit, mehr als jede andere Diözese Österreichs. Manche Gemeinden bestehen schon seit mehreren Jahrhunderten, wie die ungarische und tschechische Gemeinde. Doch seit den 70er Jahren mengt sich außereuropäischer Zuwachs hinzu. Die afghanische Gemeinde gibt es seit einem Jahr.
"Im Kern wusste die Kirche immer, dass sie eine Weltkirche ist. Nur jetzt wird es auch spürbar. Das passt wunderbar zu unserer Berufung", meint Weihbischof Franz Scharl gegenüber der "Wiener Zeitung". Er ist für die Seelsorge in anderssprachigen Gemeinden zuständig. Viele davon sind aus Studenten hervorgegangen, die vietnamesische und lateinamerikanische Gemeinde wuchsen im Zuge der Flüchtlingswellen in den 70er Jahren. In den 80er und 90er Jahren stieg der Zuzug von Philippinern und Chinesen. Seit 20 Jahren gedeiht die afrikanische Gemeinde.
Alle sozialen Schichten trifft man an. Bei den Afrikanern mischen sich Asylwerber mit Persönlichkeiten aus internationalen Organisationen. Viele Philippiner sind in Pflegeberufen tätig, ebenso auch manche Inder, die aber im Schnitt aus höheren Schichten stammen. 54 Nationen sind in der englischsprachigen Gemeinde vertreten. Bleibt nur noch die Frage, was die internationale Gemeinde ist. "Dort sind all jene, die so wenige sind, dass sie keine eigene Gemeinde sind", erläutert Johannes Gönner. Der Priester der Canisius Pfarre ist Rektor der Arbeitsgemeinschaft Afro-Asiatischer Gemeinden. Angehörige der internationalen Gemeinde drängen teils auf Gründung ihrer eigenen Gemeinde, etwa die Zuwanderer aus Bangladesch. Hier ruht also die Geburtsstätte weiterer Gemeinden.
Auch die verschiedensten katholischen Riten wurden nach Wien gebracht. Der chaldäische, maronitische, melkitische, syrische, griechisch-katholische und rumänisch-unierte Ritus gehören dazu. Drei verschiedene Riten - lateinisch, syromalabarisch und syromalankarisch - sind in der indischen Gemeinde vertreten: "Dass wir es geschafft haben, alle drei in einer einzigen indischen Gemeinde zu vereinigen, ist weltweit einzigartig", erzählt Alexander Kraljic, der Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft, stolz.
Besonders aufwendig zelebrieren die Afrikaner die Liturgie. Einen Sonntagsgottesdienst unter zwei Stunden gibt es nicht. Es wird gesungen und getanzt. "In einer normalen Wiener Pfarre fühlen die sich verloren", meint Kraljic. Bei Afrikanern sei die Sonntagspflicht besonders ausgeprägt. Für die Messe nehmen sie sich bewusst Zeit und bleiben auch nach dem Gottesdienst zusammen. Für Kinder gibt es ein eigenes Programm. Die "spirituelle Freude" und Vitalität sei ansteckend, schwärmt Scharl.
Gleichzeitig betont der Weihbischof: "Menschsein wird anders gelebt und gelernt." Wichtig sei, dass sich alle in ihren Gemeinden zu Hause fühlen. Manche Migranten wechseln mit der Zeit die Gemeinde, viele bleiben weiter unter sich. "Wir halten nichts davon, dass sie ihre Wurzeln vergessen", betont Scharl. Eine starke Jugendarbeit haben die Philippiner. "Sie sind perfekt integriert, heiraten aber oft untereinander", erzählt Gönner. Dass hier Ghettos entstehen, bestreitet Kraljic: "Meine Erfahrung ist, dass die Gemeinden die Integration fördern, weil sie eine Anlaufstelle für die Leute sind, was ihre psychische Gesundheit fördert." Zuweilen organisieren Zuwanderer intern den Religionsunterricht. "Sofern es mit der Kirche abgesprochen ist, soll es so sein", meint Gönner.
Flüchtlinge haben es schwer
Einige arabischsprachige Christen, wie die Chaldäer aus dem Irak, sind vor religiöser Verfolgung geflohen. Auf die Frage, ob es beim heimischen Umgang mit Flüchtlingen etwas zu verbessern gebe, murmelt Scharl: "Eigentlich in jeder Hinsicht: Man sollte einfach menschlicher mit ihnen umgehen." Johannes Gönner erzählt von Flüchtlingsheimen, die kilometerweit entfernt von der nächsten Stadt liegen. Hier müssen Asylwerber ohne Deutschkurs und Möglichkeit auf Arbeit warten, was als Nächstes geschieht. "Man will nicht, dass sie sich integrieren und Kontakt haben", meint Alexander Kraljic. Scharl fordert die Möglichkeit für Asylwerber, "irgendwie in einer Gemeinde tätig zu sein, wo die Leute sehen, dass sie da sind und etwas für sie tun. Zurzeit werden sie ausgegrenzt. Ihr Potenzial wird nicht geschätzt." Gönner meint: "Das Wichtigste wären eigentlich Deutsch-Kurse."
Seit zwei Jahren hat eine Wallfahrt für alle außereuropäischen Gemeinden ihren festen Platz im "Wiener Kirchenkalender". Am 23. Juni werden wieder 700 Personen in Bussen ins Weinviertel fahren, Personen vor Ort treffen, zum Abendgebet zusammenkommen und nach dem Abschlussgottesdienst auseinander gehen.