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Weltkulturerbe: Rares Prädikat oder universelles Marketinginstrument?

Von Hans Haider

Analysen

Seit Donnerstag gehört das Elbtal bei Dresden nicht mehr zum Unesco-Welterbe. Schuld daran ist die umstrittene Errichtung der neuen Waldschlößchen-Brücke. Die Aberkennung des Welterbe-Status drohte vor sechs Jahren auch der Wiener Innenstadt. Wien konnte damals aber eine Blamage abgewendet, weil auf die Überbauung des Bahnhofs Wien-Mitte mit bis zu 97 Meter hohen Bürotürmen verzichtet wurde.


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Eine andere Sanktion als die Streichung der heute schon fast 900 Weltkultur- und -naturerbe-Adressen zählenden Liste gab und gibt es nicht. Die Unesco zahlt keine Beiträge für die Erhaltung. Dennoch bedrängen Kulturpolitiker und Tourismusmanager die UN-Kulturorganisation.

Die Welterbe-Liste verleiht nicht nur Prestige, sie wurde als Gratis-Tourismuswerbung entdeckt. In Italien oder Spanien erfüllt beinahe jede größere alte Stadt die Bedingungen - die nur sehr pauschal festgeschrieben sind.

Begonnen hat es mit der Förderung eiliger Rettungsmaßnahmen wie bei den Tempeln von Angkor oder bei Abu Simbel. Diese internationalen Kraftakte führten zur Verabschiedung der Welterbe-Konvention 1972. Angestrebt war wohl eine moderne Weltwunder-Liste, anfangs als Hilfsmaßnahme - etwa um unverständige Regierungen in der Dritten Welt unter Druck zu setzen und zugleich Geld für den Erhalt dorthin zu lenken.

Inzwischen haben Bürgerinitiativen in aller Welt gelernt, dass man mit Ansuchen um den Welterbe-Status lokale Anliegen international hochspielen kann. In Österreich gelang das den Aktivisten für die Erhaltung der Semmeringbahn. In Wien gibt es die Aktion "Welterbe-Status für Grinzing". Auch im Elbtal ging der Anrufung der Unesco ein Konflikt von Natur- und Denkmalschützern mit der Lokalpolitik voraus.

Letztlich liegen die fachlichen Beurteilungen (es gibt auch politische) von Verstößen gegen Konventionsziele bei Unesco-Denkmalschutz-Beirat Icomos. Wilfried Lipp, OÖ-Landeskonservator und Präsident von Icomos-Österreich, ist seit heuer der für Europa zuständige Vizepräsident. Lipps Interventionen in Österreich - etwa gegen Hochbauten bei Schönbrunn und Belvedere - werden von den Baubehörden ernst genommen.

Im heurigen Frühjahr übernahm Karl Habsburg-Lothringen als weiterer Österreicher eine Spitzenfunktion im internationalen Denkmalschutz. Der Kaiserenkel ist jetzt Präsident des Blue Shield, mit Sitz in Den Haag. Das Blaue Schild markiert für Kriegs- und Katastrophenfälle besondere Baudenkmäler. Die Organisation wurde zuletzt nach dem Beben in den Abruzzen und dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs aktiv. In den letzten Jahrzehnten wurde das blau-weiße Protektions-Schild aber oft zur Befriedigung kleiner Eitelkeiten missbraucht - etwa um ein renoviertes Bauernhaus gegenüber den Nachbarn hervorzuheben.