Zum Hauptinhalt springen

Weltpolitik mit einem Ball

Von Simon Rosner aus Prishtina

Politik

Überraschende Entscheidung des Welt-Verbands "ein großer Schritt" für Kosovo.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Prishtina.

Das verwaiste Stadion in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina könnte bald wieder mit Leben erfüllt werden.
© Rosner

An der meistbefahrenen Straße von Prishtina stehen sieben gelbe, große Buchstaben: New Born. Als der Kosovo 2008 seine Unabhängigkeit erklärte, wurde das Monument hier provisorisch aufgestellt, bis ein besserer Platz dafür gefunden ist. Vier Jahre später steht es immer noch da. Es ist nur ein Beispiel von vielen, wie mühsam und langsam sich der Kosovo entwickelt.

Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Unabhängigkeit des von Serbien beanspruchten Kosovo derzeit nur von 90 der 193 UN-Nationen anerkannt wird, darunter auch von Österreich, und eine Lösung des Konflikts mit Serbien scheint nicht in Sicht. Der frischgekürte serbische Präsident Tomislav Nikolic hat sich in der Vergangenheit in der Kosovo-Frage als Hardliner hervorgetan.

Es sind nur ein paar Schritte vom New-Born-Monument zum Nationalstadion, das halb verfallen, halb verlassen Mitten im Zentrum der nach wie vor rasant wachsenden Stadt steht. Auf einem riesigen Transparent ist immer noch eine Grußbotschaft zu lesen: "Herzlich Willkommen Franz Beckenbauer". Es liegt dort seit mehr als einem Jahr, als die Fußballikone die Hauptstadt besucht hat. Beckenbauer versprach damals, sich bei der Fifa und Uefa für die Eigenständigkeit des Landes einzusetzen.

Sehnsüchtige Fans

Am Dienstag hat der Weltverband dann einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Er hat seinen Mitgliedsverbänden erlaubt, Freundschaftsspiele gegen den Kosovo zu bestreiten. Bisher waren sportliche Auftritte kosovarischer Athleten unter der eigenen Nationalflagge lediglich im Judo, Tischtennis, Ringen und Fechten möglich. Doch diese Sportarten interessieren im Kosovo vielleicht ein paar Dutzend. Der Fußball indessen ist in der Stadt allgegenwärtig. Doch in Ermangelung nationaler Idole sind es die internationalen Klubs aus England, Spanien und Italien, denen die Fans aus der Ferne sehnsüchtig die Daumen drücken. Gleich fünf Sportsender übertragen praktisch alle Partien der großen Ligen.

Ermal, einer von vielen Kosovaren in ihren Zwanzigern - das Durchschnittsalter beträgt etwa 24 Jahre - ist fanatischer Fan von Juventus Turin. Und beinahe wäre er dabei gewesen beim finalen Spiel der Saison, beim Meistertitel. Eine Eintrittskarte hätte er schon bekommen, irgendwie. "Aber ich habe das Visum nicht rechtzeitig bekommen", sagt er. Manchmal ginge das schneller, manchmal dauere es ewig, warum, weiß keiner. Das ist der frustrierende Alltag im Kosovo. Es gebe vermutlich Wege, Entscheidungen wie diese zu beschleunigen. Die Korruption ist im Kosovo ein ebenso großes Problem wie die Arbeitslosigkeit, die bei Jugendlichen jenseits der 60 Prozent liegt.

Auch die (von Raiffeisen) gesponserte Liga im Kosovo ist von einem vermeintlichen Korruptionsskandal betroffen. Just an dem Tag, als die Fifa den Kosovo teilweise anerkannt hat, musste der Verband den Verdacht auf geschobene Partien bestätigen. Doch die Freude über den Beschluss der Fifa überstrahlte die Skandale.

Serbien reicht Protest ein

"Das ist ein großer Schritt", sagte Verbandschef Fadil Vokrri und verwies auf die große Unterstützung, die aus der Türkei kam. Und auch Blatter-Berater Jérôme Champagne hatte sich für den Kosovo eingesetzt. Nicht nur an Begeisterung, auch an Talenten fehlt es dem mit nur 1,7 Millionen Einwohnern sehr kleinen Land nicht. Im Schweizer Nationalteam stehen in Valon Behrami, Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri, Albert Bunjaku und Almen Abdi gleich fünf im Kosovo geborene Spieler, auch Rapids Stürmer Atdhe Nuhiu kam in Prishtina zur Welt. Sie könnten alle für Kosovo spielen, sollte das Land einmal die volle Anerkennung erhalten.

Das wird aber im Fußball noch lange dauern. Noch am Dienstag hat der serbische Verband umgehend einen Protest gegen den Beschluss der Fifa angekündigt. Offenbar war diesem ein abermaliger Alleingang von Präsident Sepp Blatter vorangegangen, der ohne Ankündigung einen Antrag ins Exekutivkomitee eingebracht hat. Mit einer Gegenstimme (vermutlich vom russischen Delegierten) wurde er abgenickt. "Es ist nicht die Anerkennung des Kosovo als Land, sondern die Anerkennung als ein Land, in dem Fußball gespielt wird. Sie waren besorgt, dass ihre Spieler für andere Länder antreten", erklärte Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke.

Gerade in so einem vom Fußball faszinierten Land wie dem Kosovo hat die Nationalmannschaft eine enorme identitätsstiftende Kraft. Das ist auch die Hoffnung der Kosovaren auf dem weiteren Weg zur Unabhängigkeit. Das verwaiste Nationalstadion dürfte sich bald wieder füllen. Und zwar nicht nur, weil eine 66-jährige Ikone auf Besuch ist.