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14 Projekte haben es auf die Shortlist geschafft. | Wichtige Themen: Integration und Ausbildung. | Wien. Auf jeden Fall die Matura, sagen die Lehrer. Schnell studieren, sagen die Professoren. Falls man in der Arbeitswelt etwas reißen will, kommt man nicht um einen glatten Lebenslauf herum. Und als Migrantenkind der ersten Generation sollte man eine Lehre machen. Alles andere wäre zu schwierig.
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Blödsinn, sagen sinngemäß die Interviewten der Plattform "Whatchado". Der Name, transkribierter englischer Slang für "Was machst du", wendet sich primär an Jugendliche und steht für unzählige Interviews mit arrivierten Erwachsenen. Das erste wurde etwa mit dem Journalisten Robert Misik geführt. Aber auch Franz Kühmayer, der erste Österreicher, der als Development Manager im europäischen Headquarter für Microsoft gearbeitet hat, kommt zu Wort. In kurzen Videoclips beantworten sie Fragen zu ihrem Werdegang - und was sie ihrem 14-jährigen Ich aus heutiger Sicht für Tipps auf den Weg geben würden. Praktika ohne Ende? "Wenn du kannst, reise um die Welt und lerne Sprachen", rät Kühmayer. Der Wiener Stadtrat Christian Oxonitsch bedauert wiederum, nie ein Instrument gelernt zu haben.
Die Idee dieser Plattform - die ab Mitte Juni online gehen soll - stammt von Ali Mahlodji. Der 29-Jährige hat selber einen steinigen Weg zu seinem jetzigen Beruf zurückgelegt. Heute ist er Medienmanager und will die Welt besser machen. Früher war er zuerst ein zweijähriges Flüchtlingskind aus dem Iran, das jahrelang in Traiskirchen gelebt hat. In der Schule hatte er Konzentrationsprobleme, man legte ihm eine Lehre nahe. "Bevor ich 21 Jahre alt war, hatte ich schon etwa 30 verschiedene Jobs." Irgendwann absolvierte er nebenher eine Abendschule für vier Jahre in Softwareengineering und Projektmanagement, inzwischen hat er noch einen Bachelor draufgelegt und arbeitet mittlerweile bei dem Medienunternehmen "Super-Fi" als Projektleiter und betreut Konzerne wie Heineken oder Bipa. Die Idee für die Plattform hat er vor zwei Jahren gehabt. "Ich wollte die größte Datenbank an Lebensläufen machen, von Menschen für Kids." Denn vielen Jugendlichen fehle einfach ein vergleichbarer Kompass und sie wüssten auch oft nicht, welche Berufe es abseits den Klassikern gibt. "Die Angebote der Datenbank am AMS für Jugendliche zur Orientierungszwecken sind komplett an ihnen vorbeientwickelt worden. Die Kids finden die dortigen Videos bestenfalls unauthentisch." Und die Berufs- und Studiumsmesse "BeSt" sei eine "einzige Werbeveranstaltung".
Ali Mahlodji gibt zu, dass ihm ein "Weltverbesserungs-Gen" anhaftet. Er unterrichtet ab und zu auf dem Realgymnasium Haizingergasse über Medien und hat seinen Super-Fi-Job inzwischen von fünf auf vier Tage heruntergeschraubt, um mehr Zeit für sein Projekt zu haben, allerdings nicht, um damit reich zu werden. "Wir wollen keine Investoren oder Werbebanner. Im Idealfall läuft es irgendwann von selbst, so wie Wikipedia."

Damit er aber die Serverkosten und das Know-how nicht aus eigener Tasche bezahlen muss, hat er sein Projekt beim "Social Impact Award 2011" eingereicht. "Whatchado" konkurriert mit 14 anderen Projekten auf der Shortlist um fünfmal 4000 Euro Stipendium. Dazu winkt eine Sommermitgliedschaft in der Bürogemeinschaft für Sozialunternehmer, "The Hub", sowie professioneller Unterstützung durch das Institut für Entrepreneurship und Innovation der WU Wien.
The Connection: Mein Netzwerk wird deins
Bei dem Projekt "The Connection" von Valerie Schmidt-Chiari und Diana Kyd-Rebenburg geht es ebenfalls um Hilfestellungen für Jugendliche, allerdings nicht im virtuellen Raum - sondern in der Garnisongasse im neunten Wiener Gemeindebezirk. Hier ist gerade ein Café im Entstehen, in dem Jugendliche mit Migrationshintergrund einen "Buddy" zur Seite gestellt bekommen sollen. Die Geschichtsstudentin Valerie Schmidt-Chiari (28) hat eine Ausbildung in Sozialberatung gemacht und schon viel mit Jugendlichen zusammengearbeitet.
Gegen die Chancenungleichheit unter Jugendlichen will sie mit ihrer Projektpartnerin nun ganz praktisch ankämpfen: Jugendliche sollen Hilfe beim Deutschlernen bekommen, oder beim Lebenslauf schreiben und auch das eine oder andere Praktikum vermittelt werden. "Für viele von uns sind Netzwerke ganz verständlich. Familie, Mitschüler oder Kollegen helfen einem oft aus, sind ihrerseits vernetzt und unterstützen bei der Jobsuche. Doch für viele Jugendliche sind solche Netzwerke außerhalb der Reichweite", erklärt Schmidt-Chiari. Ihre Projektpartnerin Kyd-Rebenburg ist Wirtschaftsstudentin und bringt das betriebswirtschaftliche Know-how in die Planung mit ein.
Im Café sollen die Jugendlichen die Möglichkeit bekommen, mit jemandem außerhalb ihrer Familie über ihre Zukunft sprechen zu können, und neue Netzwerke aufbauen zu können. Mit oder ohne Stipendium werden sie versuchen, das Projekt durchzuziehen. "Wir wollen das unbedingt." Die Eröffnung ist für Mitte Juni geplant, sie haben ihr Café schon in ein paar Aushängen in Jugendzentren beworben und hoffen ansonsten auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Ihre Zielgruppe sind Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren.
Ausbildung für die Wanderarbeiter Chinas
Etwas exotischer ist das eingereichte Projekt der Architekturstudentinnen Clarissa Reikersdorfer und Ulrike Bronner. "Lüxíng Láoshi" wollen eine mobile Schule für chinesische Wanderarbeiter einrichten. Das Problem: Viele westliche Architekten werden in China als Planer angeworben und reisen frustriert vorzeitig wieder ab, denn bei der Ausführung der Arbeit stimmt weder die Qualität noch der Zeitrahmen. "Einer der Gründe ist, dass die Wanderarbeiter am Bau einfach eine Schaufel in die Hand gedrückt bekommen", erklärt Reikersdorfer, die als Praktikantin in China gearbeitet hat.
Zusammen mit Bronner, die ein Jahr im Rahmen des Joint-Studies-Programm in China studiert hat, kam sie auf die Idee, den Wanderarbeitern eine Ausbildung zu ermöglichen. Im Zuge der Diplomarbeit waren sie im Herbst drei Monate in Shanghai zwecks Feldforschung auf diversen Großbaustellen und haben mit den Wanderarbeitern Interviews geführt. Nachdem diese Chinesen als Nomaden zu den Baustellen kommen, finden sie sich meist in einer fremden Umgebung wieder. "Die sitzen dann auf der Baustelle fest, Tag und Nacht. In den Containern fernzusehen ist noch das höchste der Gefühle", berichtet Reikersdorfer. Mit einer mobilen Schule könnte man die Arbeiter in Handwerk und Materialkunde schulen. Dabei haben die zwei Studentinnen Anleihen am deutschen Projekt in Taizhan genommen. In der deutschen Sonderhandelszone werden in der "Sino-German-Factory-School" chinesische Fabriksarbeiter ausgebildet. Finanziert werden soll das Projekt im Endeffekt von den Bauträgern und der chinesischen Regierung, die in ihrem neuen Fünf-Jahresplan Maßnahmen zur besseren Ausbildung ihrer Bevölkerung versprochen hat. Vom "Social Impact Award" erhoffen sich die Studentinnen vor allem Vernetzung und Unterstützung, um das Sozialprojekt besser planen zu können und auf das Know-how anderer zurückgreifen zu können.
Social Impact Award
Koordiniert wird der "Social Impact Award" von der Wiener Wirtschaftsuniversität, genauer dem Institut für Entrepreneurship und Innovation. Möglich gemacht wurde der Award, der dieses Jahr schon zum dritten Mal verliehen wird, durch den Gründer der Fluglinie Air-Berlin, Joachim Hunold. Denn der hat 2008 den Wiener Schumpeter-Preis verliehen bekommen - und das Geld sogleich gespendet. Hunold überreichte den 15.000 Euro Scheck an den Direktor des WU-Instituts, Nikolaus Franke, mit den Worten: "Machen Sie was Vernünftiges daraus."
Eine gute Idee, die gewachsen ist. Inzwischen hat etwa die Erste Stiftung den Hauptsponsor-Part übernommen, ob Air Berlin nächstes Jahr noch dabei sind wird, ist ungewiss.
Neben vier von der Jury ausgewählten Preisträgern kann man heuer erstmals interaktiv über einen fünften Platz abstimmen - und so einem weiteren Projekt zum Leben verhelfen. Alle Projekte werden auf der Homepage vorgestellt.
"Website Social Impact Award":www.socialimpactaward.at