Drei Millionen Kinder sind im Jemen unterernährt. Österreich will mit einer Million Euro helfen.
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Sanaa/Riad/Wien. Beeindruckende Hochhäuser aus Lehm, prächtige Moscheen und der einzigartige Großmarkt in Sanaa - das war der Jemen einmal. Heute wütet hier ein blutiger Bürgerkrieg, das Land steht für Hunger, Not und tausende Tote. Die vom Iran unterstützen Houthi-Rebellen, die einen Großteil des dicht bevölkerten Westen des Landes kontrollieren, liefern sich heftige Kämpfe mit einer von Saudi-Arabien geführten Allianz, die die Kontrolle der international anerkannten Regierung über das ganze Land wiederherstellen will.
Das, was als lokaler Konflikt zwischen einem schiitischen Stamm im Norden und der Zentralregierung begann, ist mittlerweile zu einem Stellvertreterkrieg geworden, der fürchterliche Auswirkungen hat. Derzeit droht ein Kampf um die Kontrolle über die Hafenstadt Hodeidha, die Lebensader des Jemen: Hier landen per Schiff die Hilfsgüter, auf die die notleidende Bevölkerung angewiesen ist.
Keine Nahrung, kein Wasser
Hilfsorganisationen schlagen Alarm. Die Entwicklungsorganisation Oxfam macht darauf aufmerksam, dass sich in und um Hodeidah die Lebensbedingungen für eine halbe Millionen Menschen rasant verschlechtern. Nahrungsmittel fehlen, Wasser- und Abwassersysteme sind schwer beschädigt, was das Risiko eines weiteren Ausbruchs der Cholera erhöht. Die Krankheit hat in der Vergangenheit bereits mehr als 2000 Menschen das Leben gekostet. Insgesamt sind dem Krieg 10.000 Menschen zum Opfer gefallen, darunter 2200 Kinder, wie Unicef meldet. 55.000 Menschen wurden verletzt, acht Millionen sind vom Hungertod bedroht.
Noch macht der Krieg rund um Hodeidah Pause, es gibt die Hoffnung, dass die Houthi-Rebellen kampflos abziehen und die Stadt unter die Kontrolle der UNO kommt. Gespräche mit den Kriegsparteien laufen.
Die Verteidiger rechnen damit, dass die Stadt bald Kriegsschauplatz wird. Die Rede ist von einer bevorstehenden Schlacht, die alle vorherigen in den Schatten stellt.
80.000 Menschen sind in Hodeidha aus ihren Häusern geflohen, in der Stadt sind Soldaten stationiert, es wurden Schützengräben gezogen und Barrikaden errichtet. Die arabische Militärallianz hat zunächst versucht, den Hafen mit Kampffliegern sturmreif zu schießen, die Angreifer sind militärisch klar überlegen. Die Houthi haben Stammeskrieger aus der Umgebung rekrutiert und zuletzt jede Kapitulation abgelehnt. Muhsin Siddiquey, Leiter des Oxfam-Einsatzes im Jemen, richtet einen dramatischen Appell an die Weltgemeinschaft: "Das Schicksal von 600.000 Menschen steht auf dem Spiel", so Siddiquey. Noch sei Zeit, das humanitäre Desaster aufzuhalten.
Al Kaida im Vormarsch
Österreich ist bereit, gemeinsam mit anderen Ländern Hilfe zu leisten. Der bewaffnete Konflikt im ärmsten Land der arabischen Halbinsel habe "zu einer der weltweit schlimmsten humanitären Notlagen geführt", sagt auch Außenministerin Karin Kneissl. Österreich will eine Million Euro zur Verfügung stellen, um das Leid zu lindern. "Elf Millionen Menschen befinden sich in einer akuten Notlage, und fast drei Millionen Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt", so die Ministerin.
Unicef weist darauf hin, dass darüber hinaus Millionen Kinder im Jemen keinen Zugang zu Bildung haben. 1500 Schulen sind bei den Kämpfen zerstört worden, viele Minderjährige müssen als Kindersoldaten in den Kampf. Sie werden häufig in den vordersten Reihen verheizt.
Terrororganisationen wie die Al Kaida machen sich den Konflikt zunutze und weiten ihren Einfluss im Osten des Landes aus. Das von Osama bin Laden gegründete Terrornetzwerk kontrolliert, weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, weite Teile des Jemen. Der deutsche Nahost-Experte Günter Meyer ist davon überzeugt, dass sich der IS längst in einigen Regionen des Jemen hat festsetzen können, wie er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" bestätigte.
Söldner aus aller Welt
Die Zahl der im Jemen aktiven Akteure wächst unterdessen stetig. Neben Kindersoldaten sind auf Seiten der Anti-Houthi-Allianz immer noch einige hundert Söldner aus Kolumbien im Einsatz. Saudi-Arabien führt die Militärallianz im Jemen zwar an, saudische Staatsangehörige kämpfen dort aber kaum.
Laut der Zeitung "Le Figaro" sind an der Schlacht um Hodeidha auch französische Spezialeinheiten beteiligt. Details zu dem Einsatz von Bodentruppen an der Seite der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz gibt es nicht, dem Verteidigungsministerium in Paris ist die Sache offenbar unangenehm: Zuletzt war von einem Minenräumeinsatz nach dem Ende der Offensive die Rede, um den Zugang zum Hafen von Hodeidha sicherzustellen.
In Paris - aber auch in London und Washington - legt man Wert darauf, nicht der saudisch geführten Allianz im Jemen anzugehören. Man unterstütze die Allianz "nur logistisch". Der Jemen kontrolliert den Zugang zum Roten Meer und ist deshalb strategisch wichtig. Großbritannien hat bis in die 60er Jahre einen Militärstützpunkt in Aden unterhalten.
Gegen die Houthi-Kämpfer ziehen private Militärdienstleister ins Feld, die vor allem von den Vereinigten Arabischen Emiraten angeheuert werden und die es mit der Wahrung der Menschenrechte nicht sehr genau nehmen. Es soll sich dabei um Veteranen aus dem Sudan, aber auch aus traditionellen Söldner-Staaten wie Südafrika handeln, die von sogenannten Experten aus Frankreich und Großbritannien ausgebildet und dann schwer bewaffnet in den Jemen entsandt werden.