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Weltwirtschaft: Wie im Schlauchboot vor dem Wasserfall

Von Ingrid Szeiler

Gastkommentare

Im Handelskonflikt der USA mit China kommt irgendwann der Punkt, an dem kein Gegenrudern mehr hilft. Die jüngsten Entwicklungen hatten auch Auswirkungen auf die Finanzmärkte.


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Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nach wie vor der größte Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft und für die Finanzmärkte. Dies gilt allerdings nicht nur im negativen Sinn. Das haben nicht zuletzt die Entwicklungen im August gezeigt. Auf die beidseitigen Ankündigungen neuer beziehungsweise höherer Zölle folgten unmittelbar beschwichtigende Worte. Entsprechend sind auch die Märkte hin- und hergerissen. Es scheint, dass keine der beiden Parteien als Verlierer vom Platz gehen möchte, immerhin könnte das vom politischen Gegner als Schwäche ausgelegt werden. Andererseits wollen weder die USA noch China eine Rezession. Ausgang daher: ungewiss.

All das macht die Einschätzung der Kapitalmarktentwicklung nicht einfacher. Fest steht allerdings: Wenn man mit einem Schlauchboot auf einen Wasserfall zufährt, gibt es einen bestimmten Punkt, an dem kein Gegenrudern mehr hilft. Dann wird man von der Strömung in die Tiefe gerissen. Diesen Punkt dürften wir momentan noch nicht erreicht haben. Das zeigen die Wirtschaftsdaten, die zwar im Produktionsbereich sehr schwach sind, im Dienstleistungsbereich aber noch recht robust aussehen. Die Unternehmen verdienen gut. Die - für die Finanzmärkte relevanten - Aussichten werden aber kontinuierlich nach unten revidiert.

Die Signale aus dem Aktienmarkt selbst sind mehrheitlich negativ. Technische Indikatoren wie beispielsweise Momentum und Marktbreite haben sich spürbar verschlechtert. Die Daten zur Investorenstimmung sind unterdessen uneinheitlich. In Summe rechtfertigen die Indikatoren eine Reduktion der Aktienquote. Gold und Silber haben in den vergangenen Wochen nach jahrelangen Abwärtstrends ein Lebenszeichen von sich gegeben. Die guten Gründe für steigende Preise dürften nunmehr stärker wahrgenommen werden.

Schwierige Renditesuche bei Staatsanleihen

Die Zinskurve der 2- und 10-jährigen US-Staatsanleihen wurde im August erstmals seit Mai 2007 wieder invers, was ein unüberhörbares Rezessionswarnsignal ist. Die gesamte deutsche Staatsanleihekurve weist eine negative Rendite aus und verspricht Hold-to-Maturity-Investoren (die sie bis zur Endfälligkeit halten, Anm.) einen fixen Verlust. Zudem bezahlen unter anderem die aktuelle 10-jährige und 30-jährige deutsche Staatsanleihe keinen Kupon (0 Prozent). Der Begriff "Fixed Income" fühlt sich damit irgendwie nicht mehr richtig an. Die Renditesuche wird schwierig. In Erwartung sinkender Spreads setzen wir verstärkt auf Schwellenländer-Hartwährungsstaatsanleihen.

Unternehmensanleihen: Erratischer Newsflow bleibt zentraler Faktor

Die meisten Wirtschaftsindikatoren überraschten im August vor allem in der Eurozone wieder deutlich negativ. Die Risikoprämien von Unternehmensanleihen stiegen bis Mitte August. Mit einer abermaligen Entspannung an der Handelskriegsfront sanken diese gegen Monatsende wieder. Der erratische Newsflow rund um den Handelskonflikt USA vs. China bleibt der marktbewegende Faktor und sorgt in erster Linie für erhöhte Volatilität.

Steigende Risikoprämien bei Staatsanleihen von Schwellenländern

Im August sind die Risikoprämien von Hartwährungsstaatsanleihen in den Emerging Markets (den sogenannten Schwellenländern, Anm.) angestiegen. Die sich laufend ändernde Rhetorik hinsichtlich des Handelsstreits zwischen den USA und China spielte zwar eine Rolle, zuletzt verloren aber vor allem lateinamerikanische - und hier argentinische - Papiere. Wohl auch deshalb, weil Argentiniens wirtschaftsliberaler Präsident Mauricio Macri bei den anstehenden Wahlen am 27. Oktober und am 24. November wahrscheinlich doch nicht wiedergewählt werden dürfte und ein abermaliger Staatsbankrott nicht ausgeschlossen werden kann.

Dominanz handels- und geldpolitischer Themen in entwickelten Märkten

Die entwickelten Aktienmärkte tendierten in den vergangenen Wochen seitwärts, wobei weiterhin weniger Fundamentaldaten im Mittelpunkt stehen als vielmehr erneut politische Themen (Handels- und Geldpolitik). Als wichtigster Unterstützungsfaktor erweisen sich einmal mehr die internationalen Notenbanken, während der Blick auf die Gewinndaten unverändert ernüchternd ausfällt.



Sinkender Gewinntrend in den Aktienmärkten der Schwellenländer

Die Diskussionen, inwieweit eine globale Rezession bevorsteht - Stichwort Zinskurveninversion in den USA -, und das Hin und Her im Handelskonflikt sind eine Gemengelage, die für Emerging Markets nichts Gutes bedeuten kann. Daher war der Monat August für Schwellenländer-Aktien recht enttäuschend auch im Vergleich zu den entwickelten Aktienmärkten. Zuletzt hat sich auch der Gewinntrend wieder verschlechtert. Daher bleiben wir bei Emerging-Markets-Aktien weiter vorsichtig positioniert, bis sich der Preistrend verbessert. Fundamental bleiben Emerging-Markets-Aktien attraktiv bewertet.

Rohstoffmärkte präsentieren sich wieder stärker

Die internationalen Rohstoffmärkte präsentierten sich in den vergangenen Wochen wieder stärker. Vor allem Edelmetalle konnten von der Aussicht auf erneut expansivere Geldpolitik profitieren. Dies zeigt sich auch an den anhaltenden Zuflüssen in börsennotierte Produkte auf Gold. Generell sind viele Segmente im Rohstoffbereich weiterhin von einer angespannteren Angebotssituation gekennzeichnet. Dies spiegelt sich auch in einer (für Investoren) positiveren Kurvenstruktur wider.•

Im Handelskonflikt der USA mit China kommt irgendwann der Punkt, an dem kein Gegenrudern mehr hilft. Die jüngsten Entwicklungen hatten auch Auswirkungen auf die Finanzmärkte.