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Was mit den Grundstücken der Vertriebenen passieren soll, ist nur eine der offenen Fragen auf Zypern.
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Noch schläft sie, die Insel. Der Wind, der vom Meer kommt, streicht über die kargen Hänge der Kyrenia-Berge und verfängt sich in den schlanken Zypressen der Ebenen. Das Gras ist noch nicht von der Sonne verbrannt. Doch schon bald werden die Farben auf Zypern explodieren. Die Mandelbäume werden ihre rosa schimmernden Blüten aufgehen lassen. Die Wiesen werden sich reich schmücken mit Anemonen, Narzissen, Gladiolen, Iris, Goldwurz. Aphrodite, die im Meeresschaum Geborene, wusste schon, wo sie an Land gehen sollte.
Der Schönheit Zyperns konnten sich auch David und Linda Orams nicht entziehen. Das britische Paar kaufte sich in einem Dorf in der Nähe von Kyrenia ein Grundstück, baute ein Haus und einen Pool gleich dazu. Der Traum vom Feriendomizil ging in Erfüllung.
Doch nur für kurze Zeit. Die Orams sollen das Haus nun abreißen lassen, das Grundstück zurückgeben, eine Entschädigung zahlen, befanden Gerichte.
Denn die britischen Käufer haben etwas nicht bedacht: Zypern ist nicht nur ein Ferienparadies. Es ist ein geteiltes Land, wo im Norden 20.000, vielleicht 30.000 türkische Soldaten stationiert sind. Wo die Hauptstadt in der Mitte auseinandergerissen ist. Wo noch immer Minenfelder geräumt werden und UN-Friedenstruppen patrouillieren. Und wo in den 70er-Jahren hunderttausende Menschen vertrieben wurden. Nach dem Einmarsch türkischer Truppen flohen so gut wie alle griechischen Zyprioten in den Süden und die türkischen Zyprioten in den Norden.
Eben dort, in der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, haben sich die Orams Land gekauft. Land, das einem griechischen Zyprioten gehört, der es verlassen musste.
Der ursprüngliche Besitzer Meletios Apostolides klagte; ein zypriotisches Gericht gab ihm Recht. Auch der Europäische Gerichtshof befand, das Eigentum müsse zurückgegeben werden. Nun hat dies auch das britische Berufungsgericht - wo Cherie Booth, die Ehefrau von Ex-Premier Tony Blair, die Orams vertreten hat - bestätigt.
Die griechisch-zypriotischen Behörden zeigen sich über die Entscheidung zufrieden, die türkisch-zypriotischen etwas ratlos. Das Urteil könnte Auswirkungen für tausende weitere Briten haben, die im Norden Grundstücke erworben haben.
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Bei den derzeit laufenden Verhandlungen zur Wiedervereinigung der Insel ist die Rückgabe von Grundstücken eines der größten Probleme. Mehr als die Hälfte des Landes im Norden gehört griechischen Zyprioten, wobei die Kirche ein großer Grundbesitzer war. Was soll mit diesem Boden geschehen? Rückgabe? Tausch gegen andere Grundstücke? Entschädigungen? Was soll mit den Menschen passieren, die seit Jahren dort leben, wie etwa zehntausende Türken, die Ankara auf Zypern angesiedelt hat? Auf all diese Fragen gibt es offiziell noch keine Antworten.
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In den vergangenen Jahren, als sich keine Lösung für die geteilte Insel abzeichnete, setzte im Norden ein Bauboom ein. Grundstücke wurden verkauft, egal, wem sie gehörten. Hotels, Casinos und Appartementhäuser wurden hochgezogen. Nach türkischen Angaben machten die ausländischen Investitionen in den Immobilienmarkt im wirtschaftlich international isolierten Norden bis zu zwei Milliarden US-Dollar aus. Was mit all den Bauten geschehen soll, ist ebenfalls unklar.
Laut der Tageszeitung "Kibris" müsste ein Fonds, aus dem Entschädigungen für Vertriebene gezahlt werden könnten, mit rund 15 Milliarden Euro - in zehn Jahren - gespeist werden. Manche Ökonomen wiederum schätzen, dass für Hausbau, Renovierungen und Infrastruktur mehr als sieben Milliarden Euro in fünf Jahren nötig wären. Woher das Geld dafür nehmen? Das ist eine der offenen Fragen mehr. Auch daran ist Zypern reich.