Das zeitgleiche Erscheinen einer nicht bestellten mit einer bestellten Meinungsumfrage entlarvt die politische Manipulation - für Interessierte!
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Gesundheitsminister Stöger plant, alle drei Monate eine Meinungsumfrage zur Gesundheitsversorgung in Auftrag zu geben, nach deren Ergebnissen er sein Handeln ausrichten will. Da stellt sich die Frage, was er will.
Es trifft sich, dass kurz nach den Jubelmeldungen über die erste dieser Umfragen, die sich "Gesundheitsbarometer" nennt, eine weitere Umfrage veröffentlicht wurde; eine ganz ohne Auftraggeber, einfach um Wissen zu schaffen, also um wissenschaftlich und nicht politisch zu sein: die Oekonsult-Studie "Gesundheit 2010". Vergleicht man die Ergebnisse dieser beiden Studien, dann wird jede Klarheit beseitigt.
Im politisch bestellten "Gesundheitsbarometer" geben 63 Prozent der Bevölkerung an, mit der Gesundheitsversorgung sehr zufrieden zu sein. Demgegenüber sind, laut "Gesundheit 2010", erstaunlicherweise 76 Prozent davon überzeugt, dass die "große Gesundheitsreform" nun keinen weiteren Aufschub mehr zulassen würde. Wie geht das? Wissenschaftlich betrachtet, muss man zwar das Gesundheitssystem streng von der Versorgung trennen. Die Versorgung ist das, was bei jedem Patienten ankommt, während das (reformbedürftige) System nur den Rahmen definiert. Man kann also durchaus mit der Versorgung zufrieden, aber mit dem System unzufrieden sein. Dass allerdings das System durch seine steuernden Bedingungen immer die Versorgung beeinflusst, darf nicht vergessen werden. Wenn also eine so große Diskrepanz in zwei unabhängigen Studien auftritt, ist es nicht gewagt zu behaupten, dass die Versorgung nur noch funktioniert, weil es genügend Ärzte mit Zivilcourage gibt, die sich im Zweifel um Patienten kümmern, selbst wenn sie dafür das System "umgehen" müssen - was der Patient offenbar zunehmend bemerkt.
91 (!) Prozent der Oekonsult-Befragten haben keinen Zweifel, dass eine Gesundheitsreform, die nicht auch eine Reform des Spitalswesens darstellt, keine Reform ist. Mehr noch, 77 Prozent wissen, dass dazu wohl auch Spitalsschließungen gehören. Wie passt dazu das Ergebnis des "Gesundheitsbarometers", wonach sich 67 Prozent der Österreicher gegen Zusammenlegungen von Spitälern aussprechen? Und wenn Gesundheitsminister Stöger sagt: "Die Experten sind für mich in erster Linie die Patienten. Wenn ihnen die Standorte wichtig sind, sind sie mir das auch." Wen meint er damit? Die 77 Prozent von "Gesundheit 2010" oder die 67 des "Gesundheitsbarometers"?
Wem soll man glauben? Ich glaube der Studie "Gesundheit 2010" - nicht weil mir ihre Ergebnisse besser gefallen, was ja auch ein Kriterium sein könnte, sondern, weil sie transparenter ist und offenbar etwas wissen und nicht vertuschen will. Während die Daten des ministeriellen "Gesundheitsbarometers" größtenteils geheim sind, sind die Daten von "Gesundheit 2010" allen offenbart. Während die Ergebnisse des "Gesundheitsbarometers" mehr als drei (!) Monate lang "ausgewertet" werden mussten, bis sie veröffentlicht werden konnten, wurden die der "Gesundheit 2010" bereits wenige Tage nach Beendigung der Studie publiziert. Während also "Gesundheit 2010" für jeden nachvollziehbar (und kritisierbar) ist, bleibt der "Gesundheitsbarometer" im Nebel der Intransparenz.
Ich bin nicht naiv genug zu glauben, dass auch Minister an Transparenz interessiert sind. Daher wird die Strategie bleiben: Gib eine Studie in Auftrag, die du lenken kannst, damit die Ergebnisse so sind, dass du walten und schalten kannst, wie du willst!