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Wen der U-Ausschuss das Amt gekostet hat

Von Daniel Bischof

Politik

Öbag-Chef Schmid trat am Dienstag mit sofortiger Wirkung zurück. In der Justiz bangen zwei Spitzenbeamte um ihre Jobs.


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Das Personalkarussell der Republik, es wurde durch den Ibiza-U-Ausschuss ordentlich in Schwung gebracht. Manchen Spitzenbeamten hat es bereits abgeworfen. Rücktritte und Suspendierungen folgten auf die Veröffentlichung von Chatprotokollen, Aussagen vor dem Ausschuss sorgten für Anzeigen und Ermittlungen. Ein Überblick.

Mit sofortiger Wirkung trat am Dienstag Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid von seinem Amt zurück. Ursprünglich hätte sein Vertrag im März 2022 auslaufen sollen. Neue Chatprotokolle, die vergangene Woche veröffentlicht wurden, hatten den Druck auf Schmid aber nochmals erhöht. Mit einer Vertrauten sprach er darin beispielsweise darüber, den Betriebsrat der Staatsholding abdrehen zu wollen.

Der Aufsichtsrat habe sich mit Schmid intensiv beraten, teilte die Öbag mit. Dabei habe man erkannt, "dass die sofortige Beendigung der Vorstandstätigkeit" Schmids "einen notwendigen Schritt für die Öbag darstellt". Schmid gibt auch seinen Posten als Verbund-Aufsichtsratsvorsitzender ab. Als Interimsvorständin wurde Öbag-Direktorin Christine Catasta bestellt.

Schmid entschuldigt sich

Der Ex-ÖBAG-Chef  entschuldigte sich indessen für seine Chats. "Ich habe mich in diesen privaten Chats in einer Art über Menschen, Organisationen und politische Entwicklungen geäußert, die ich heute bereue. Heute sehe ich klar, dass das falsch und zynisch war. Es tut mir außerordentlich leid, wenn ich damit jemanden verletzt oder verstört habe", heißt es in einer Stellungnahme Schmids.

Besonders bedauere er, dass die öffentliche Diskussion um seine Chats dazu geführt habe, dass die Leistungen "des kleinen, sehr engagierten und professionell arbeitenden ÖBAG-Teams" nicht ausreichend gewürdigt würden. Es sei ihm bewusst, dass "meine privaten Äußerungen weiterhin Gegenstand der innenpolitischen Diskussion bleiben werden", aber man solle zwischen diesen und der Arbeit der ÖBAG unterscheiden. "Das hart arbeitende Team rund um Christine Catasta hat es sich verdient, an ihren konkreten Leistungen im aktiven Management der österreichischen Staatsbeteiligungen gemessen zu werden", warb er für einen Neustart unter seiner Nachfolgerin Catasta.

Er sei mit dem ÖBAG-Aufsichtsrat übereingekommen, seinen Job als ÖBAG-Vorstand und als Aufsichtsrat in den Beteiligungen der ÖGAB "einvernehmlich und mit sofortiger Wirkung zurückzulegen", weil "die öffentliche Diskussion rund um private Nachrichten eine sinnvolle und konstruktive Tätigkeit als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG nicht mehr möglich" machten.

"Höchst überfällig"

Die Opposition und die Grünen bezeichneten den Rücktritt als "längst überfällig", die ÖVP sah hingegen eine "höchstpersönliche Entscheidung". Der Aufsichtsratschef der Öbag, Helmut Kern, erklärte gegenüber dem Ö1-"Mittagsjournal", dass Schmid für 2021 keinen Anspruch auf einen Bonus habe. Das, was Schmid zum Abschied erhalte, "liegt deutlich unter dem, als wenn der Vertrag ausbezahlt worden wäre".

Parallelen zu Schmids Rückzug zeigen sich bei Wolfgang Brandstetter. Auch der Verfassungsrichter ist über Chats gestolpert. Darin hatte er sich abschätzig über den Verfassungsgerichtshof (VfGH) und seine Kollegen geäußert. "Tatsache ist, dass faktisch eine Situation eingetreten ist, in der ich dem VfGH am besten dienen kann, indem ich mich von meiner Funktion zurückziehe", gab der scheidende Höchstrichter darauf bekannt.

Wie auch bei Schmid erfolgt Brandstetters Rücktritt früher als geplant. Der Verfassungsrichter hatte angekündigt, nach Fertigstellung laufender Akten mit 1. Juli aus dem Amt ausscheiden zu wollen. Am Montagabend aber gab der Verfassungsgerichtshof bekannt, dass Brandstetter nach einem Gespräch im Kollegium "seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung" erklärt habe. In der VfGH-Session im Juni wird der Ex-Justizminister also nicht mehr dabei sein. Statt ihm kommen nun Ersatzmitglieder des Höchstgerichts zum Zug.

Erst degradiert, dann suspendiert

Auf dem Abstellgleis ist vorläufig Justiz-Spitzenbeamter Christian Pilnacek. Er führte einst die Supersektion Strafrecht, die sowohl die Straflegistik als auch die Fachaufsicht über Strafverfahren innehatte. Bereits im Vorfeld des U-Ausschusses forderte die Opposition Pilnaceks Abberufung, da er in E-Mails die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) scharf kritisiert hatte. Im Mai 2020 degradierte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) Pilnacek. Seine Supersektion wurde gespalten, Pilnacek wurde Leiter der Sektion Straflegistik.

Dabei sollte es nicht bleiben: Pilnacek geriet ins Visier von Ermittlungen: Er soll gemeinsam mit Brandstetter den Investor Michael Tojner vorab von einer Hausdurchsuchung informiert haben. Alle drei bestreiten das. Ende Februar 2021 wurde Pilnacek suspendiert. Die Bundesdisziplinarbehörde hob die Suspendierung auf, das Justizressort legte Rechtsmittel ein. Derzeit liegt der Fall beim Bundesverwaltungsgericht.

Mit Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, droht einem weiteren hochrangigen Justizbeamten Ungemach. Grund dafür sind aber nicht Chatnachrichten, sondern seine Aussagen vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Dabei ging es darum, inwiefern Regierungsmitglieder über Hausdurchsuchungen bei Ministern informiert werden.

Fuchs hatte im U-Ausschuss erklärt, das Justizressort über "geplante Zwangsmaßnahmen" zu informieren. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt gegen Fuchs wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses. Fuchs bestreitet sämtliche Vorwürfe und gibt an, er habe nicht gemeint, dass das Justizministerium vorab informiert werde.

Das Justizressort erstattete Disziplinaranzeige beim Obersten Gerichtshof und regte an, eine allfällige Suspendierung des Beamten zu prüfen. Bei Staatsanwälten und Richtern kann das Ministerium selbst nicht die Suspendierung verfügen, sondern nur das zuständige Disziplinargericht. Zudem beschränkte das Justizressort die Zuständigkeit des Behördenleiters: Er ist derzeit nicht mehr für die Aufsicht über die WKStA, für Verschlusssachen und alle den Ibiza-U-Ausschuss betreffenden Angelegenheiten zuständig.

Erste Anklage gegen Strache

Zu Strafverfahren haben auch die Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor dem Ibiza-U-Ausschuss geführt. Gegen ihn wird wegen Falschaussage ermittelt. Wie die "Presse" am Dienstag berichtete, wird in einem Bericht der WKStA in einem Nebensatz auch erwähnt, dass der Kanzler dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) von einer bevorstehenden Hausdurchsuchung bei diesem erzählt haben könnte.

Kurz bestreitet die Vorwürfe. So wie bei nahezu allen anderen Ermittlungen, die im Zusammenhang mit dem Ausschuss stehen, ist noch nicht klar, ob die Ermittlungen eingestellt werden oder es eine Anklage gibt. Bisher gibt es erst in einem Themenkomplex eine Anklage, sie betrifft die Bestechungsvorwürfe gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und einen Privatklinik-Betreiber. Auch hier bestreiten die Beschuldigten die Vorwürfe. Am 7. Juli startet die Hauptverhandlung in Wien.