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Wen interessiert das Sozialjahr?

Von Peter Wötzl

Politik

SPÖ-Modell zum Sozialjahr ist ein Polit-Aufreger. | Sozialexperte Talos vermisst ein attraktives Angebot. | Wien. Heftige Reaktionen gibt es weiterhin auf die SPÖ-Pläne zur Abschaffung der Wehrpflicht und für den Ersatz des Zivildienstes. Vor allem die ÖVP kann sich damit vorerst wenig anfreunden. Das Sozialjahr wird als "scheinheilige Lösung" bezeichnet und könne die Aufgaben des Zivildienstes nicht annähernd ersetzen. | Feuerwehrjugend leidet unter Konkurrenzdruck


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Kritische Stimmen gab es zuletzt auch von Rettungsorganisationen. Zwar begrüßte etwa der Arbeiter-Samariterbund den Vorschlag von Sozialminister Rudolf Hundstorfer als "konstruktiv", ob mit dem neuen Freiwilligen-Jahr die jährlich rund 13.000 zugewiesenen Zivildiener wirklich vollständig ersetzt werden können, wird sich zeigen, hieß es in einer Aussendung.

Wie berichtet, wollen die Sozialdemokraten nächste Woche Modelle zur Zukunft des österreichischen Bundesheeres präsentieren. Sollte die Wehrpflicht fallen, muss Ersatz für den Zivildienst gefunden werden. Dazu stellte die SPÖ das Modell eines Freiwilligen-Jahres vor. Statt 8500 Zivildiener in den Kernbereichen Gesundheit und Soziales soll künftig das Auslangen mit 6400 Personen (Männer und Frauen) gefunden werden. Sie sollen auf freiwilliger Basis ein Jahr zum kollektivvertraglichen Mindestlohn von rund 1300 Euro brutto monatlich bei einer Hilfsorganisation arbeiten.

Zivildienst als eineAlternative fällt weg

Ist die Nachfrage nach einem solchen "Kurzzeitjob" gegeben? "Die Nachfrage lässt sich nicht aus den Quantitäten, die der bisherige Zivildienst hatte, ableiten. Für viele ist der Zivildienst eine Alternative zum Wehrdienst und damit verbunden mit Verpflichtung. Das würde dann wegfallen", sagt Sozialwissenschafter Emmerich Talos im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es bleibt daher offen, ob sich künftig tatsächlich eine größere Zahl an Menschen für ein freiwilliges Jahr begeistern könnten. Talos: "Das sind sicher junge Leute, die engagiert sind, die sozial sensibel sind. Wer für solche Fragen nicht sensibel ist, wird es sowieso nicht machen", so Talos. Auch sei das vorliegende Modell für einen bestimmten Teil von Leuten nicht attraktiv genug, um sich auf ein solches Freiwilligen-Jahr einzulassen. Talos: "Ist es ein 40-Stunden-Job, dann ist er nicht gerade gut dotiert."

"Grundsätzlich steht ein solches Freiwilligen-Jahr künftig für jeden offen. Wir halten die 1300 Euro brutto für eine vernünftige Bezahlung, außerdem darf man die Ausbildungskomponente nicht vergessen", heißt es dazu als Reaktion aus dem Büro von Sozialminister Rudolf Hundstorfer.

ÖVP-Zivildienstsprecher August Wöginger meinte gestern, "die Wehrpflicht als spätes Wahlzuckerl abzuschaffen, ohne ein realistisches Konzept für einen finanzierbaren, funktionierenden und planbaren Ersatz für den Zivildienst vorzulegen, bringt Verunsicherung bei den Bürgern und bei den Organisationen und ist nicht ehrlich".

Vor Lohndumping warnte auch die Zivildienstsprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler-Souschill. Außerdem müssten all jene Organisationen, die jetzt schon Freiwillige haben und nur in diesem System existieren können, genauso mitbedacht werden. Vorstellbar ist für die Grünen nur ein freiwilliger Sozialdienst, man sei "ganz klar gegen Zwangsdienste".

"Das eigene Wahlkampfzuckerl - Abschaffung der Wehrpflicht - ist der SPÖ ordentlich im Hals stecken geblieben", so der freiheitliche Generalsekretär Herbert Kickl. Die SPÖ sei orientierungslos und ihre Strategie "skurril". "Es ist eine Illusion zu glauben, dass die derzeitige Qualität und Quantität der eingesetzten Zivildiener auf Freiwilligenbasis aufrechterhalten werden kann", warnte Kickl.

Das BZÖ begrüßte die Idee einer Aufwertung des Sozialjahres. Allerdings müsse es künftig für diesen Dienst an der Gesellschaft auch deutliche Verbesserungen geben. Ausbildungen sollen auf den Beruf angerechnet werden, forderte Sozialsprecherin Ursula Haubner.

Freiwilligen-Jahrschon seit 40 Jahren

Das freiwillige Sozialjahr ist im Übrigen nicht neu, das besteht schon seit mehr als 40 Jahren. Allerdings hat es sich bisher nicht als großer Renner erwiesen. Zwar wurde es 2004 durch eine Förderung des Sozialministeriums aufgewertet, die Inanspruchnahme blieb dennoch bescheiden, pro Jahr melden sich zwischen 300 und knapp 400 Personen - 2009/10 waren es exakt 374.

Bisher war das freiwillige Sozialjahr auf Menschen zwischen 18 und 26 Jahren beschränkt (diese Altersgrenze würde jetzt fallen). Für die zehn- bis elfmonatige Tätigkeit bekommen die Personen 150 Euro als Ersatz für die Familienbeihilfe und zusätzlich ein Taschengeld von den jeweiligen Trägerorganisationen zwischen 180 und 280 Euro sowie anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die wöchentliche Arbeitszeit in der Trägerorganisation beträgt 37,5 Stunden. Außerdem werden freie Unterkunft und Verpflegung in der Einsatzstelle geboten. Die Einsatzbereiche erstrecken sich unter anderem auf Arbeit mit behinderten Menschen, mit Obdachlosen, Jugendlichen sowie psychisch beeinträchtigen Menschen.