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Wenig Geld, unsichere Zukunft

Von Heiner Boberski

Wissen

Die Universitätsreform und knappe Budgets machen Österreichs Wissenschaft schwer zu schaffen. Die "Wiener Zeitung" sprach darüber mit Heinrich Schmidinger, Rektor der Universität Salzburg und dort Professor für christliche Philosophie.


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"Wiener Zeitung": Herr Rektor, vor wenigen Wochen gab es Horrormeldungen in den Medien: Den Universitäten fehlen Millionen. Der Betrieb ist gefährdet. Was ist daran wahr?

Heinrich Schmidinger: Wahr ist sicher, dass heuer an den Universitäten ein Budgeteinbruch wie nie zuvor erfolgte. Es kam erschwerend dazu, dass wir diese Mitteilung erst im Juni erhalten haben. Wir haben an der Universität Salzburg ein Budget von etwa 70 Millionen Euro, das ist de facto um 5,1 Millionen, also um 7 Prozent, gekürzt worden. Es kann sich kein Wirtschaftsunternehmen leisten, sein Budget zu machen, nachdem schon sechs Monate des Jahres vorbei sind.

Heinrich Schmidinger: Die meisten Universitäten haben mit einem Einstellungsstopp beziehungsweise mit einer rigorosen Einsparung von Investitionen reagiert. Ich bin in Salzburg auch in diese Richtung gegangen, aber nicht so rigoros. Es hat keinen Sinn, einfach überall zu sagen, da stellen wir niemanden neu ein. Man muss wirklich von Fall zu Fall schauen. Das Gleiche betrifft die Investitionen. In diesem Fall blieben ja ganze Wissenschaftsprojekte stehen. Inzwischen hat das Ministerium einiges nachgebessert, das hat die Situation etwas entspannt.

"Wiener Zeitung": Wie wurde nachgebessert?

Heinrich Schmidinger: Was uns bezahlt wurde, waren zum Beispiel die kollektivvertraglich vereinbarten Gehaltserhöhungen. Dann hat man uns für die Umsetzung des neuen Gesetzes Mittel zur Verfügung gestellt. Auch das verursacht ja hohe Kosten, etwa die Umstellung auf die neuen Verrechnungssysteme. Den ganzen Budgeteinbruch hat man damit natürlich nicht wettgemacht. Entscheidend wird sein, was man im nächsten, übernächsten und überübernächsten Jahr macht. Wir sollen ja ein Drei-Jahres-Budget bekommen. Die Budgetgespräche sind für die zweite Novemberhälfte angesetzt. Darauf sind wir alle sehr gespannt.

"Wiener Zeitung": Ist nun die Qualität der österreichischen Hochschulen, was Forschung und Lehre betrifft, durch die jetzige Situation schwer gefährdet? Kommen Sie über den Winter?

Heinrich Schmidinger: Ich komme über den Winter. Ich bin auch optimistisch, dass ich das Budget im Großen und Ganzen heuer einhalten kann. Aber auf Dauer geht das nicht. Wenn es weiterhin so wenig Geld gibt, werden wir gezwungen sein, Akzente zu setzen, also das eine weiter zu betreiben und das andere nicht mehr.

"Wiener Zeitung": Die Auseinandersetzung hat sich jetzt an die Universitäten verlagert. Ist das Klima dadurch schlechter geworden?

Heinrich Schmidinger: Ich würde sagen, das Klima hat sich verändert. Früher hat auch nicht zum Klima beigetragen, dass es möglich war, in die eigene Universität hinein zu regieren, indem man nur eine gute Beziehung zu einem Ministerialrat oder Sektionschef brauchte. Da war wirklich über die Hintertüre jede Möglichkeit offen. Jetzt ist es anders: Die Entscheidungen fallen im Haus, und da steigt natürlich das Konfliktpotential innerhalb des Hauses beträchtlich. Früher hat man sich geärgert, dass einer bessere Beziehungen zum Ministerium hatte, jetzt wahrscheinlich, dass er eine bessere Beziehung zum Rektor hat.

"Wiener Zeitung": Die Universität kann jetzt autonom sagen, wir schließen das eine oder andere Institut ...

Heinrich Schmidinger: Ja, sogar ganze Fakultäten können geschlossen werden. Alle Universitäten müssen sich bis Anfang des nächsten Jahres eine neue Struktur geben, das heißt ein neues Organigramm schaffen. Wir in Salzburg schließen keine Fakultät, aber wir legen Institute zusammen zu Fachbereichen. Wir haben auch Institute, wo wir gesagt haben, das führen wir nur noch weiter, solange ein pragmatisierter Professor da ist, aber dann läuft es aus.

"Wiener Zeitung": Es gibt seit einiger Zeit Studiengebühren. Müssen die womöglich erhöht werden, wenn sich die Lage zuspitzt? Könnten die Universitäten selbst die Gebühren erhöhen?

Heinrich Schmidinger: Momentan sind die Gebühren gesetzlich festgelegt, da haben wir keinen Spielraum, sie nach oben oder unten zu korrigieren. Ich rechne auf Dauer eher mit einer Erhöhung. Denn die Kosten steigen, und wenn auch die finanzielle Situation des Gesamtstaates weiterhin so prekär bleibt - wir erleben ja erstmals, dass auch der Staat bedeutend weniger Geld hat -, dann kann ich mir gar nichts anderes vorstellen, als dass sie erhöht werden.

"Wiener Zeitung": Ist aus Ihrer Sicht der freie Zugang zu den Universitäten auf die Dauer aufrecht zu erhalten? Ist denkbar, dass Universitäten wie die Kunstdisziplinen Aufnahmeprüfungen einführen?

Heinrich Schmidinger: Man wird es wahrscheinlich in bestimmten Bereichen tun müssen, in Massenfächern, wo man an die Grenzen des Verantwortbaren kommt. Es ist nicht mehr fair, wenn wir Leute einladen, zu uns zu kommen, gleichzeitig aber nicht einmal wissen, wer ihre Diplomarbeiten betreuen soll. Die Betreuer sind nämlich oft völlig überfordert. Wenn ein Professor 200 Dissertationen oder Diplomarbeiten zu betreuen hat, kann mir niemand mehr weismachen, dass das geht. In diesen Bereichen wird man eines Tages Aufnahmebeschränkungen machen müssen. Dort, wo der Andrang nicht so groß ist, soll man aber ruhig weiter den freien Zugang beibehalten.

"Wiener Zeitung": An der neuen Universitätsreform wird vor allem der Professor auf Zeit kritisiert, sehen Sie noch weitere gravierende Mängel?

Heinrich Schmidinger: Sicher gehört dazu, dass man keine Perspektiven, keine wirklichen Zukunftsszenarien für den wissenschaftlichen Nachwuchs entwickelt hat. Das hängt natürlich auch mit dem Geld zusammen. Ich sehe ein, dass man die Pragmatisierungen abgeschafft hat, denn das hat in vielen Bereichen der Universitäten zum Stillstand geführt. Aber man hat sich noch zu wenig überlegt: Was ist mit einem, dessen Assistentenvertrag ausläuft? Wenn wir Professuren oder weiterführende Stellen in entsprechender Zahl hätten, wäre das nicht so ein Problem, aber auch dort wird ja reduziert. Das bedeutet für die Karriere: Nur wenige haben Zukunft, andere fallen ins Nichts.

Ein weiteres Problem stellt sicher die Politisierung der Universitäten durch die Räte dar, in denen je zur Hälfte Vertreter der Universität und des Ministeriums sitzen. Da gibt es bekanntlich ein großes Konfliktpotential. An der Universität Salzburg arbeitet der Rat sehr gut, wir hatten bei der Zusammensetzung großes Glück.

Außerdem kostet die Umsetzung des Gesetzes sehr viel Geld. Vor allem die Ausgliederung der Medizinischen Fakultäten, die aus parteipolitischen Gründen erfolgt ist, halte ich für einen schweren Fehler. Das bezahlen alle Universitäten, egal ob sie bisher Medizin hatten oder nicht.

"Wiener Zeitung": Wo bringt das Gesetz Fortschritte?

Heinrich Schmidinger: Da ist schon einiges, wo man sagen muss, das ist vernünftig. Dass wir jetzt wirklich vollrechtsfähig mit Geld umgehen können, dass wir nicht mehr Jahresbudgets haben, wo das Geld am Ende verfällt - und darum alle es noch schnell im November und Dezember ausgeben -, dass wir das Budget selbst aufteilen können, das ist doch ein unglaublicher Vorteil. Bisher war ja der Anteil für Personal und Geräte genau vorgegeben. Das hat immer wieder zu absurden Situationen geführt. Ein Fortschritt ist auch, dass wir kreditfähig werden. Wenn man offensiv sein will, muss man das auch nutzen dürfen. Ebenso halte ich viel von den Zielvereinbarungen. Es wird nicht nur die Universität mit dem Ministerium alle drei Jahre einen Leistungsvertrag abschließen, es werden auch die Universitäten mit ihren Einrichtungen Zielvereinbarungen eingehen. Das bedeutet: Es wird mit einer Einrichtung ausgemacht - das können natürlich die Betroffenen wesentlich mitbestimmen, sonst wäre es ja keine Vereinbarung -, dass in einem bestimmten Zeitraum diese Ziele erreicht werden. Nachher schaut man sich an, was herausgekommen ist. Das kann man jedem Fach zumuten. Es kann nicht genügen, Lehrpläne zu erfüllen beziehungsweise Studien zu ermöglichen. Wesentlich muss auch die Forschung Bestandteil solcher Vereinbarungen sein. Und eine Zielvereinbarung ist nicht eine Addition von persönlichen Interessen oder gar Hobbys.

Das Gespräch führte Heiner Boberski