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Wenig Illusionen bei Exilkubanern

Von Alexander U. Mathé aus Miami

Politik

Auch unter Raúl Castro wird kein Wechsel zur Demokratie erwartet. | Miami. Fünf Uhr Früh, an einem unbeobachteten Strand in Kuba. Zwei Männer umarmen einander mit Tränen in den Augen. "Du musst doch nicht weinen, Onkel", sagt der bei ihnen stehende 13-jährige Bub. "Komm doch einfach mit uns und wir gehen gemeinsam fischen." Doch Luis Correa sollte an jenem Tag des Jahres 1968 gar nicht fischen gehen. Erst auf hoher See, erinnert sich der heute 53-Jährige, weihte ihn sein Vater in seinen Plan ein und erklärte, dass sie versuchen würden zu fliehen und die rettende Küste der USA zu erreichen. Denn Luis´ Vater war soeben aus dem Gefängnis ausgebrochen. 1959 hatte ihn das neue Regime verhaftet und eingekerkert; der Vorwurf: Spionage im Auftrag der CIA. "Erst später habe ich erfahren, dass er tatsächlich ein Agent des US-Geheimdiensts war", sagt Luis mit einem Lächeln, während er genüsslich an seiner Zigarre zieht. Heute lebt er in Miami und trifft sich regelmäßig mit seinen Freunden, die alle ein ähnliches Schicksal wie er durchlebt haben.


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Alexis Ferrá hat im Gegensatz zu Luis seit seiner Flucht seinen Vater nicht wiedergesehen. Sollte das Regime in Kuba fallen, wäre das das erste, was er nachholen würde. Dass es in naher Zukunft dazu kommen könnte, glaubt er jedoch nicht: "Raúl Castro ist stark. Einen Wechsel zur Demokratie wird es unter ihm nicht geben", sagt er bitter. Das sieht auch Pedro Valdés so: "Raúl wird die Kraft haben, das weiterzuführen, was sein Bruder Fidel so lange durchgesetzt hat."

"Jeder der kann, soll aus Kuba weggehen"

Für Pedro gibt es da nur eine Lösung, nämlich die, die er selber seinerzeit gewählt hat: "Jeder, der kann, sollte versuchen, von dem Land wegzukommen. Sollen die Castros doch alleine in Kuba bleiben und das Land regieren." Doch die Flucht aus Kuba ist alles andere als einfach. "Die Meerenge von Miami ist ein einziger Friedhof. Dort sterben jährlich Tausende beim Versuch, nach Florida überzusetzen", sagt Alexis düster.

Luis hatte seinerzeit Glück. Er und sein Vater wurden auf ihrer Flucht vom Golfstrom abgetrieben. Am Ende ihrer Kräfte landeten die beiden schließlich statt in den USA in Mexiko. Dort fanden sie nach einigem Suchen einen Schlepper. Der Kapitän eines kleinen Schiffs schleuste sie gemeinsam mit zehn weiteren Emigrationswilligen in die USA. So kamen Luis und sein Vater zuerst nach Buffalo und dann endlich an ihr Wunschziel Miami, wo sich auch heute noch die größte Gemeinschaft exilierter Kubaner findet.

Über den scheidenden Máximo Líder hört man dort kaum Positives. "Der ist ein Mörder, ein Krimineller, ein Dieb", echauffiert sich Alexis. "Und indirekt finanziere ich dieses System auch noch mit."

So wie seine Freunde unterstützt auch er seine in Kuba zurückgebliebenen Verwandten mit Hilfslieferungen. "Aber von jedem Dollar, den ich schicke, behält sich die Castro-Bande 20 Cent ein", erklärt Alexis. "Der Fidel hat uns nur rausgelassen, damit wir hier in den USA arbeiten und das Geld rüberschicken." Auch Medikamente werden gerne über die Meerenge von Miami geschickt. "Es stimmt zwar, dass Kuba gute Ärzte hat, aber die haben nicht die Mittel, um ihr Potenzial auch zu nutzen. Da fehlt es von einem kleinen Aspirin bis hin zum Defibrilator an allem."

Lösung nur über Diplomatie erreichbar

Dennoch brauche man sich über einen Willen zu einem Wandel Kubas zur Demokratie keine Illusionen machen. Einen Regimewechsel könnten laut Alexis nur dort lebende Dissidenten, oder das Militär herbeiführen. Doch das sei nicht so leicht in einem Land, in dem man nicht einmal seinem Nachbarn trauen könne, ergänzt Pedro. Anderer Ansicht ist David Diaz. Der 27-Jährige gehört der zweiten Generation amerikanischer Kubaner an und ist bereits in den USA geboren. Auch er verspürt das Verlangen, ungehindert seine letzten noch lebenden Verwandten in Kuba zu besuchen. Doch der Weg dorthin könne nicht über Gewalt führen, sondern nur über Öffnung und Diplomatie.