Arbeitslosigkeit und Inflation explosionsartig gestiegen. | "Bazari" haben die Situation satt. | Ende für Benzinsubventionierung? | Paris/Teheran. Das Wasser im Samavar sprudelt. Afshin schenkt mehreren Händlern des Teheraner Bazars frischen persischen Tee mit Safran und Kardamon ein. Kochend heiß ist auch die Stimmung unter den Geschäftsleuten. "Jetzt reicht es. Wir haben es satt. Wenn es so weitergeht, dann wird die Wirtschaft kollabieren", erzürnt sich Shahyad über die Misswirtschaft der Führung Irans.
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"Seinen Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2005 verdankte Mahmud Ahmadinejad den damals gemachten Versprechungen", fügt Afshin hinzu. "Dass er Armut und Arbeitslosigkeit abbauen und etwas für die Zukunft der jungen Generation tun wolle. Inflation und Arbeitslosigkeit aber sind stattdessen sprunghaft gestiegen, während einer von fünf Iranern unter der Armutsschwelle lebt. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass er es nach dieser erschwindelten Wiederwahl besser machen wird, oder?" Seit 40 Jahren arbeitet Afshin als Teppichverkäufer. So schlecht ging es ihm aber bisher noch nie.
Nicht nur die Geschäftstreibenden (die "Bazari") sind sauer. "Die einzelnen Probleme haben Irans Wirtschaft wie ein Krebsgeschwür erfasst", meint Adel Mansouri aus Shiraz. Die Liste der Probleme ist lang: Die Teuerungsrate liegt offiziell bei 25 Prozent im Jahr und die Arbeitslosenquote bei rund 15 Prozent. Kritikern zufolge werden alle Angaben von der Regierung schöngefärbt. Sie sehen das Hauptübel der iranischen Wirtschaft darin, dass "inkompetente Menschen im Wirtschafts- und Ölministerium mit den Einnahmen aus den Ölexporten verschwenderisch umgehen".
Der mit der Krise verbundene niedrige Ölpreis nach dem Höchststand des Vorjahres wird auch der kommenden Regierung Kopfzerbrechen bereiten. Rund 60 Prozent der Haushaltseinnahmen stammen aus dem Ölexport. Nach seiner Wiederwahl müsste Ahmadinejad bereits eine Kürzung der staatlichen Subventionierung von Benzin, Gas und Strom ankündigen.
Eine Expertengruppe hat moniert, dass die Restriktionen gegenüber ausländischen Investoren das Wachstum hemmen.
Bevölkerung verliert massiv an Kaufkraft
All das bewirkt einen Ketteneffekt, dessen Folgen zu einer ernsthaften Bedrohung für das ganze System werden: In den letzten Jahren hat die Bevölkerung massiv an Kaufkraft verloren. Ein Blick auf Teherans Bazar, Hauptstimmungsbarometer für die iranische Wirtschaft, genügt. Mohsen ist das beste Beispiel. Er hat wie seine Freunde Afshin und Shahyad in diesen Tagen Zeit, viel Zeit. Der 50-Jährige steht allein in seinem Laden im Großen Bazar. Im Regal Töpfe, Pfannen, Besteck. "Seit Ende letzten Jahres kaufen die Leute kaum noch, die Inflation frisst alles weg", klagt er. "Und wie läuft das Geschäft seit der Präsidentschaftswahl?", wollen wir wissen. "Ich bin zwei Tage lang auf die Straße gegangen, um gegen den Betrug an Oppositionsführer Mir-Hossein Moussavi zu protestieren", sagt er. "Aber jetzt bleibe ich hier, es ist zu gefährlich."
Ob sich die Geschäftswelt an einem Generalstreik gegen das Regime beteiligen würde, ist eine der wichtigsten Fragen derzeit. Tatsächlich ist die Enttäuschung über den Niedergang des Landes und die Missachtung des Wählerwillens durch Präsident Mahmud Ahmadinejad groß - aber auch die Furcht vor Repression. Einen richtungsweisenden Einfluss auf die Wirtschaft wird die Haltung der geistlichen Elite haben. Sie hat sich gegen das alte, neue Regime gestellt, was eine Signalwirkung auf die Bazari haben könnte.