Vorgezogene Wahl weder bei Bürgern noch Parteigängern populär.
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Salzburg. Die Aufarbeitung der Salzburger Finanzaffäre rollt nur langsam an. Nach wie vor fehlt jede Bestätigung für die tatsächliche Höhe der kolportierten 340 Millionen Euro Buchungsverluste des Landes Salzburg, noch gibt es neue Informationen über den Verbleib des Geldes. Das bietet den Parteien die Gelegenheit, sich langsam für den kommenden Wahlkampf aufzuwärmen. Die Salzburger ÖVP hatte nach dem Auffliegen der Affäre ja unter Verweis auf fehlendes Vertrauen zum Regierungspartner SPÖ einen Neuwahlantrag angekündigt. Am Wochenende vollzog Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SP) einen Meinungsschwenk und sprach sich ebenfalls für Neuwahlen aus. "Wenn wir als Regierung nicht mehr arbeiten können, müssen wir uns trennen", so Burgstaller.
Mittlerweile diskutieren die Regierungspartner vor allem die Frage, wer wann was gewusst oder nicht gewusst hat und wer wen falsch informiert hat. Jüngste Kostprobe war eine Aussendung der Salzburger ÖVP am Montag, die der Salzburger SPÖ das "Kindergartenargument ‚Wir nicht, aber ihr auch‘" vorwarf. Eine mögliche Suspendierung für den Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, diskutieren die beiden Parteien hauptsächlich über die Medien. Vorwurfsvoll, versteht sich.
An der Parteibasis hält sich die Begeisterung für den Wahlkampf dagegen in Grenzen. Schon vor dem Beschluss für einen Neuwahlantrag hielten sich führende ÖVP-Politiker vergangene Woche mit klaren Neuwahl-Ansagen zurück. Das Parteipräsidium folgte Landeshauptfrau-Stellvertreter und ÖVP-Chef Wilfried Haslauer aber schließlich doch und beschloss einstimmig, einen Neuwahl-Antrag einzubringen. "Ob es eine gute Idee war, wird man im Nachhinein sehen", sagt Günther Mitterer, ÖVP-Bürgermeister von St. Johann im Pongau, zur "Wiener Zeitung": "Neuwahlen sind nie die beste Lösung. Nachdem eine Zusammenarbeit so aber nicht mehr möglich ist, sind sie der einzige Ausweg." Verständnis für den Schritt gebe es aber sehr wohl. "Das merkt man auch im Gespräch mit den Leuten. Der Tenor ist: ‚Da muss jetzt etwas passieren, es muss ein Zeichen nach außen gehen‘", sagt Mitterer.
Unter den Landesbediensteten sind die Gehaltsverhandlungen - vor Ausbruch der Finanzaffäre das wichtigste lokalpolitische Thema - wichtiger als die Schuldfrage am Finanzdebakel. Die Gespräche zwischen Regierung und Personalvertretern könnten am Dienstag abgeschlossen werden. Eine klare Tendenz für Neuwahlen gibt es aber auch bei den Landesbediensteten nicht. "Es hält sich die Waage. Der eine sagt so, der andere so", sagt ein führender Personalvertreter. Ähnlich dürfte es in der Gesamtbevölkerung aussehen. Laut einer Umfrage des Instituts für Grundlagenforschung für die "Salzburger Nachrichten" stehen 54 Prozent der Salzburger einer Neuwahl skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Auf SP-Seite hat sich nicht nur Landeshauptfrau Burgstaller mit den Neuwahlen abgefunden. "Die Vorbereitungen für die Wahlen 2014 waren bereits im Gange, jetzt kommt die Wahl halt ein bisschen schneller", sagt Walter Bacher, SPÖ-Vorsitzender im Pinzgau.
Die Chancen der SPÖ dürften außerdem besser stehen, als nach Bekanntwerden des Skandals vermutet. Das Rennen um Platz eins ist laut der SN-Umfrage offen. Da würde die ÖVP derzeit auf 36 Prozent kommen, die SPÖ auf 33. Bei den letzten Wahlen 2009 lag die SPÖ mit 39,4 Prozent noch knapp drei Prozentpunkte vor der ÖVP. Die aktuell drei Prozent Differenz sind für die SPÖ kein Rückstand, der in einem Wahlkampf nicht aufzuholen wäre.
Zumal die Partei nach wie vor hinter Burgstaller zu stehen scheint. "Ich bin aktuell viel auf Weihnachtsfeiern unterwegs", erzählt Bacher, "und ich höre nur Zuspruch für die Landeshauptfrau. Die Basis ist dafür, dass sie wieder antritt, und stärkt ihr den Rücken." Inwieweit das mangels Alternativen erfolgt, sei dahingestellt. Ein Rückzug Burgstallers würde die SPÖ auf dem falschen Fuß erwischen. "Darauf sind wir nicht vorbereitet, das wäre ein Riesenverlust", sagt Bacher.
Sympathieeffekt fürGabi Burgstaller
Auch Reinhard Heinisch, Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Salzburg, diagnostiziert einen "Sympathieeffekt für die Landeshauptfrau". Heinisch sagt: "Ich war vergangene Woche in einer Radioshow. Dort war der Tenor, der gesamten Regierung einen Vorwurf zu machen und die Landeshauptfrau in Schutz zu nehmen. Sie ist relativ populär, das sollte die ÖVP nicht unterschätzen." Ob Burgstaller antritt, ist offen. Sie werde das Anfang Februar entscheiden, sagte sie am Wochenende.
Vor der Opposition braucht sich die Regierung laut SN-Umfrage übrigens nicht fürchten. Dort käme die FPÖ auf 14 und die Grünen kämen auf 11 Prozent. Das wären für beide Parteien nur moderate Zugewinne. Das Team Stronach würde ebenso an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern wie das mit bekannten Lokalpolitikern neu aufgestellte BZÖ. Für Heinisch kommt das überraschend: "Die Zeichen sind optimal für Veränderung. Wann nicht jetzt, wann dann?"
Immerhin gäbe es nach aktuellem Stand Chancen auf Mehrheiten jenseits einer großen Koalition. Gegen Schwarz-Blau gebe es aber atmosphärische Vorbehalte, glaubt Heinisch: "Die FPÖ scheint der ÖVP noch immer nicht vergeben zu haben, dass sie wegen der Abschaffung des Proporzes aus der Regierung geflogen ist." Es gibt also auch abseits des Skandals ausreichend Animositäten.