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Wenig Realpolitik, viel Geplänkel: Debatte um "lebenslang" hilft fast allen

Von Katharina Schmidt

Analysen

Wer in Österreich zu lebenslanger Haft verurteilt wird, der sitzt laut Justizministerium durchschnittlich 21 Jahre. Die Grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits will nun die lebenslange Haftstrafe abschaffen und durch eine 20-jährige Höchststrafe ersetzen. Nach Adam Riese könnte also ein Großteil der Straftäter nur ein Jahr früher ungefilterte Luft atmen. Durch diese und eine Fülle weiterer Maßnahmen wollen die Grünen die Zahl der Häftlinge um 25 Prozent senken. Dazu sollen die Gefangenen etwa nach zwei Dritteln der abgebüßten Haftstrafe bedingt entlassen werden - nicht jedoch bei erhöhter Rückfallgefahr.


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Die anderen Parteien nutzten den Vorstoß der Grünen zur Positionierung in eigener Sache. Fast könnte man meinen, die Justizpolitik sei im Sommerloch verschwunden, denn die Reaktionen gleichen einem Präzedenzfall für zielgruppenorientierte Wahlwerbung.

Das gespaltene freiheitliche Lager hat die Positionierung der Grünen als linksliberale Alternative genutzt, um zum wiederholten Mal vor einem "Linksruck" zu warnen. So argwöhnte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die Grünen wollten die "verstaubten Vorstellungen" des ehemaligen SPÖ-Justizministers Broda "von einer gefängnislosen Gesellschaft aus der Mottenkiste hervorkramen". Dabei sei die derzeitige Praxis im Strafvollzug viel zu lasch - eine klare Ansage an Anhänger von "Law & Order".

Gegen seine Ex-Parteikollegen vom BZÖ holte Strache auch gleich zum Schlag aus, indem er die "linke Justizpolitik" der Ministerin Gastinger anprangerte.

BZÖ-Obmann Peter Westenthaler ignorierte diesen Seitenhieb und nutzte die Gunst der Stunde, um seine Warnung vor Ausländern nun gleich auf Straftäter auszuweiten: Die Grünen würden mit ihrer Idee Österreich zu "einem Paradies für Straftäter" machen.

Dass man sich bei der SPÖ nicht auf eine einheitliche Linie einigen kann, kommt FPÖ wie BZÖ gerade recht. Denn während sich am Mittwoch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos noch gegen den Vorschlag der Grünen ausgesprochen hatte, stimmte tags darauf Justizsprecher Hannes Jarolim gleich im Namen der ganzen Partei dafür. Damit haben die Sozialdemokraten der Konkurrenz gleich doppelte Munition geliefert.

Erstens ist das alte Dilemma der SPÖ wieder deutlich zu Tage getreten: Der Spagat zwischen dem sogenannten kleinen Mann, der mit einer linksliberalen Politik nichts am Hut hat, und den urbanen Modernisierungsgewinnern. Zweitens hat das BZÖ nun einen weiteren Beweis für den drohenden "Linksruck".

Auch der ÖVP bot der Grünen-Vorstoß einen willkommenen Anlass, sich für die eigenen konservativen Wähler ins rechte Licht zu rücken. Justizsprecherin Maria Fekter betonte, die lebenslange Haftstrafe habe Präventivcharakter. Das Thema findet sie "grundsätzlich daneben", bei allfälligen Koalitionsverhandlungen mit den Grünen werde man darüber "nicht einmal reden".