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Wenig Spielraum

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Macron will 2019 Reformen umsetzen, doch nach den "Gelbwesten"-Protesten scheint er geschwächt.


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Paris. Wenige Franzosen kennen den Namen von Sylvain Fort, dem Mann im Schatten, der öffentliche Auftritte stets mied. Doch Ansprachen aus Forts Feder mit ihrem feierlichen Ton haben die meisten schon gehört. Rund 300 Reden hat der 46-Jährige für Präsident Emmanuel Macron geschrieben, seit ihn dieser im Sommer zum Kommunikationschef im Élysée-Palast ernannt hatte. Nun kündigte Fort an, den Posten zu verlassen, um sich seiner Familie und anderen beruflichen Projekten zu widmen, wie er betonte.

So belanglos dies klingt - für Macron stellt der Abschied von seinem wichtigsten Redenschreiber einen Rückschlag dar. Bei Fort handelt es sich um einen engen Vertrauten der ersten Stunde, ähnlich wie bei Macrons Spezialberater Ismaël Emelien, der ebenfalls demnächst geht. Im vergangenen Jahr trat nach dem beliebten Ex-Umweltminister Nicolas Hulot auch der frühere Innenminister Gérard Collomb zurück. Er hatte Macron öffentlich vor zu großer Überheblichkeit gewarnt, mit der er sich selbst isoliere. Der Abgang einstiger Vertrauter erscheint symptomatisch dafür - und er kommt für den Präsidenten zur Unzeit, steht ihm doch ein Jahr mit großen Herausforderungen bevor.

Die teils von Gewalt begleiteten Proteste der "Gelbwesten"-Bewegung, die Frankreich Ende 2018 über Wochen in Atem hielten, haben Macrons Position geschwächt. Zwar scheint die politische Krise vorerst abgeklungen zu sein, nachdem er milliardenschwere Zugeständnisse wie die Erhöhung des Mindestlohns und eine Entlastung der Rentner machte. Das erhöht Frankreichs Defizit, während Macrons Beliebtheitswerte weiter bei rund 30 Prozent stagnieren. Und die Ruhe wirkt fragil.

Dialog mit dem Volk

Beobachter vermuten, dass Sylvain Forts Entscheidung mit dem Skandal um Macrons Ex-Sicherheitsbeauftragten Alexandre Benalla zusammenhängt. Benalla wurde im Sommer entlassen, nachdem er bei einer Demonstration brutal gegen Teilnehmer vorgegangen war. Doch seine diplomatischen Pässe nutzte der 27-Jährige weiterhin für geschäftliche Reisen: So traf er im Tschad Präsident Idriss Déby kurz vor einem Besuch Macrons in dem afrikanischen Land. Nun sagte Benalla dem Online-Magazin "Médiapart", er stehe weiter in Kontakt mit Macron. Der Élysée dementierte empört - und musste dann zurückrudern, da tatsächlich SMS ausgetauscht wurden. Die Episode zeugt von Kommunikationsproblemen an der Staatsspitze. Dass Macron ihnen nun offensiv begegnen will, zeigte sich in seiner Neujahrsansprache. Auch will er die Bürger stärker in Entscheidungsprozesse miteinbeziehen. Mitte Jänner, so versprach er, werde er alle Franzosen in einem Brief dazu auffordern, eine "nationale Debatte" über die Themen Energiewende, Steuerpolitik, Demokratie und die Staatsinstitutionen einzuleiten. Dazu sollen die Bürger mit lokalen Abgeordneten und Akteuren der Wirtschaft diskutieren. Gleichzeitig stellte Macron aber klar, dass er von seinem Reformeifer nicht abrücken werde. "Ich bin bei der Arbeit, entschlossen, alle Kämpfe auszufechten", so der 41-Jährige.

Dazu gehört sein Plan, "die Regeln der Arbeitslosenentschädigung grundlegend zu ändern, um stärker zur Wiederaufnahme der Arbeit anzuregen". Zugleich soll die Arbeitslosenversicherung auf Selbständige und Arbeitnehmer, die von sich aus kündigen, ausgeweitet werden. Gegen den Plan der Regierung, die Kontrolle der Jobsuchenden zu verschärfen, regt sich bereits Widerstand. Auch eine mögliche Verkürzung der Zahlungsdauer bringt die Gewerkschaften bereits in Warnstellung. Die Arbeitgeber wiederum lehnen den Vorschlag eines Bonus-Malus-Systems ab, das der exzessiven Vergabe von kurzzeitig befristeten statt unbefristeten Verträgen entgegenwirken soll.

Durch die Arbeitslosenversicherungsreform will die Regierung binnen drei Jahren bis zu 3,9 Milliarden Euro einsparen. Sollten sich die Sozialpartner bis Februar nicht auf neue Regeln einigen, will sie selbst einen Gesetzesvorschlag einbringen.

Das gilt auch für andere anstehende Reformen. So hat Macron versprochen, in seiner Amtsperiode bis 2022 insgesamt 120.000 Beamtenstellen zu streichen, um die Staatsausgaben deutlich zu senken. Außerdem sollen die mehr als 40 bestehenden Pensionskassen fusioniert werden. Da dies jedoch viele Befürchtungen nach sich zieht, wird die Pensionsreform erst nach den Europawahlen Ende Mai umgesetzt.

Diese könnten wiederum mit einer Abstimmung über Teile der geplanten Verfassungsreform der Institutionen junktimiert werden, wie die Verringerung der Abgeordnetensitze und die teilweise Einführung des Verhältniswahlrechts. Das Vorhaben wollte Macron bereits 2018 umsetzen, doch es wurde mehrmals verschoben - zuletzt aufgrund der "Gelbwesten"-Demonstrationen. Diese flauten zwar inzwischen deutlich ab, eine neue Protestwelle in Frankreich könnte aber durchaus folgen.